Ziel der Entwicklung

Logo: Prozessschema des entwickelten Verfahrens; © TITK
Prozessschema des entwickelten Verfahrens; © TITK

Absorbermaterialien besitzen heute eine enorme Bedeutung und werden in verschiedenen Bereichen von Technik, Medizin, Verpackung und Baugewerbe eingesetzt. Wasserabsorbierende Materialien in Pulver- oder Granulatform bestehen zum überwiegenden Teil aus Polyacrylaten (Copolymere aus Acrylsäure und Natriumacrylat) und erreichen Wasserrückhaltevermögen von bis zu einigen tausend Prozent ihres Eigengewichts. Bei der Aufnahme von elektrolythaltigen Flüssigkeiten, wie z.B. Urin oder Wundsekreten, geht das Wasserrückhaltevermögen allerdings drastisch zurück. Größter Nachteil dieser u.a. in Babywindeln verwendeten Materialien ist die Langzeitstabilität gegenüber Mikroorganismen, eine Entsorgung durch Kompostierung ist deshalb nicht möglich. Desweiteren können keine Fasern hergestellt werden, deshalb benötigen die Superabsorber in einem Endprodukt die geeignete Matrix.
Absorbierende Formkörper wie Fasern, Filme oder Fliese dagegen können aufgrund ihrer Form und mechanischen Stabilität ohne Matrix direkt zu Endprodukten, beispielsweise Fliesen, Wundauflagen, Windeleinlagen oder auch anteilig in Textilien verarbeitet werden. In manchen Fällen ist sogar eine Mehrfachnutzung in Betracht zu ziehen. Absorberfasern müssen einerseits hydrophil genug sein um größere Mengen Wasser aufnehmen zu können, andererseits muss die mechanische Stabilität der Fasern im gequollenen Zustand ausreichend für eine textile Verarbeitung sein. Wesentliche Eigenschaften chemisch modifizierter Cellulose hängen von der Art des Substituenten sowie dessen Substitutionsgrad ab. So durchläuft Celluloseacetat mit steigendem DS (beginnend mit nativer Cellulose) ein ganzes Spektrum völlig unterschiedlicher Charakteristika und Eigenschaftskombinationen. Bei sehr geringem DS bleiben die Materialien celluloseähnlich. Bis zu einem DS von etwa 1,5 tritt eine steigende Hydrophilie ein, die sich zunächst in Quellbarkeit und später in Wasserlöslichkeit dokumentiert. Bei weiterer Erhöhung des Substitutionsgrads setzt sich der hydrophobe Charakter der Acetatgruppen durch, die Quellbarkeit und Löslichkeit in organischen Medien nimmt zu. Schließlich nähern sich die Eigenschaften denen der technischen 2,5-Acetate (organolöslich, thermoplastisch).
Trotz dieses interessanten Eigenschaftsspektrums werden bisher nur das Cellulose-2,5-acetat und das Cellulosetriacetat genutzt. Gründe hierfür sind zunächst die Löslichkeit in Aceton und damit die praktikable Möglichkeit einer Formgebung zu Fasern und Filmen, desweiteren seine mechanischen, optischen und haptischen Besonderheiten sowie die thermoplastische Verarbeitbarkeit. Um das DS-abhängige breite Spektrum einer ganzen Palette von Eigenschaften der Celluloseacetate zu erforschen und zu nutzen, fehlte bisher sowohl die geeignete Methode der chemischen Umsetzung als auch die Möglichkeit der Formgebung für die niedriger substituierten Celluloseacetate.
Die seit einigen Jahren in der Celluloseforschung populär gewordenen Ionischen Flüssigkeiten (IF) haben das Potenzial zur Lösung dieser beiden Aufgaben. Die Idee des Vorhabens besteht darin, diese beiden neuen technischen Möglichkeiten (chemische Derivatisierung und physikalische Formgebung in IF) in sinnvoller Weise innerhalb eines Prozesses zu kombinieren. Dadurch sollen erstmals Celluloseacetate in einem breiten DS-Bereich wirtschaftlich sinnvoll verfügbar gemacht und darüber hinaus die anschließende Formgebung zu Fasern und Filmen ohne die aufwendige Zwischenisolierung realisiert werden. Die IF fungieren dabei sowohl als Reaktionsmedium als auch als Lösungsmittel zur Verformung. Ausgehend von einer Celluloselösung in IF wird mit Acetanhydrid zu Celluloseacetat umgesetzt und anschließend direkt aus der Reaktionslösung versponnen.
Das Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines Verfahrens zur Herstellung absorbierender Celluloseacetat-Fasern und -Filmen in ionischen Flüssigkeiten. Durch Variation der Substitutionsgrade kann das Eigenschaftsprofil der Formkörper gezielt eingestellt werden.

Vorteile und Lösungen

Im Ergebnis der Projektarbeiten konnte ein neues Verfahren zur Herstellung von Celluloseacetatfasern mit beliebige Substitutionsgraden und damit einstellbaren Eigenschaften erfolgreich in den kleintechnischen Maßstab entwickelt werden. Die neue Synthese in ionischen Flüssigkeiten macht erstmals Celluloseacetate in einem breiten DS-Bereich wirtschaftlich sinnvoll verfügbar. Darüber hinaus kann die anschließende Formgebung zu Fasern und Filmen ohne aufwendige Zwischenisolierung realisiert werden. Damit wurde ein praktikabler Weg zur Herstellung neuer quellbarer und bioabbaubarer Fasern aufgezeigt. Es existieren keine echten Konkurrenzprodukte für eine quellbare Cellulosefaser mit ansprechenden mechanischen Kennwerten. Die im Vorhaben realisierte  quellbare Faser eröffnet durch ihre auch im gequollenen Zustand vorhandene mechanische Stabilität völlig neue Anwendungsbereiche.
Die Absorberfasern weisen ein Wasserrückhaltevermögen von über 400 Prozent auf und besitzen Anwendungspotential im Textilbereich und bei verschiedenen technischen Lösungen. Auch unter dem Einfluss von Elektrolyten bleibt das Wasserrückhaltevermögen erhalten. Dies ist eine enormer Vorteil gegenüber den am Markt befindlichen ionischen Absorbermaterialien, deren Aufnahmekapazität durch Ionen stark zurückgeht. Der Nutzen für den Kunden ergibt sich aus der Kombination von Wasseraufnahme, Salzstabilität, mechanischer Stabilität und Kompostierbarkeit der neuen Faser. Die Umweltanforderungen werden sowohl verfahrenstechnisch (geschlossenes Recyclingkonzept) als auch produktseitig (vollständige Kompostierbarkeit der Faser) erfüllt.

Zielgruppe und Zielmarkt

Quellbare Fasern mit einer für die textile Weiterverarbeitbarkeit ausreichenden mechanischen Stabilität sind derzeit nicht am Markt verfügbar.
Neben Anwendungen in Medizintechnik (Wundauflagen), dem Hygienesektor (bioabbaubare Windeln) und in Funktionstextilien ergaben sich wärend der Projektlaufzeit eine Vielzahl von möglichen technischen Anwendungen. Ein Beispiel dafür ist die Abtrennung von Wasserspuren aus technischen Ölen durch hydrophile, quellbare Filtermaterialien. Die entwickelten Absorberfasern sind Spezialfasern, deren zusätzliche Funktionen verhältnismäßig hohe Preise rechtfertigen. Daher können auch kleinere Anlagen rentabel betrieben werden. Derartige innovative Lösungen sind besonders für die in Deutschland ansässigen KMUs sehr interessant, da diese nicht im Niedrigpreissektor der Massenproduktion mit Großunternehmen, wie z.B. Lenzing, konkurrieren können. Durch Vergabe von Lizenzen sowie gemeinsame Transfermaßnahmen der beantragenden Einrichtung und der interessierten Industrieunternehmen werden beste Voraussetzungen für die Übertragung des erworbenen Know-hows geschaffen. Weitere Nutzer entlang der Wertschöpfungskette sind beispielsweise Hersteller von Hygieneartikeln, Nonwovens und Spezialtextilien. Gerade in diesen Sektoren existieren eine Anzahl KMUs, die bestrebt sind, mit neuen Lösungen spezielle Marktnischen auszubeuten.
Aus der erfolgreichen Bearbeitung des Vorhabens ergaben und ergeben sich wirtschaftliche Effekte durch neue Impulse für weitere eigene Forschungs- und Entwicklungsarbeiten. Derzeit werden bioabbaubare Absorbergranulate und wasserabsorbierende Filtermaterialien entwickelt.