Ziel der Entwicklung
Ziel des Forschungsvorhabens war es, ein Assistenzsystem zu entwickeln, dass den Bediener der laserbasierten Trockenvorbehandlungsanlage zur Bearbeitung technischer Textilien in seiner Arbeit unterstützt. Die laserbasierte Trockenvorbehandlung bietet großes Potenzial zur Substitution nasschemischer Prozesse und damit erheblicher Energieeinsparungen in der Textilveredlung. Der Anwendungsrahmen des Assistenzsystems soll das Prozessverständnis, die Einarbeitung in das neuentwickelte Verfahren und auch die konkrete Bedienung der Anlage unter Nutzung von Erfahrungswissen und aktuellen Maschinendaten umfassen.
Es gibt verschiedene Arten von Assistenzsystemen, wie Assistenz- und Serviceroboter, Assistenz durch Lernsysteme, kognitive Assistenzsysteme und mobile sowie stationäre informationstechnische Assistenzsysteme. Im Projekt lag der Fokus auf einem informationstechnischen Assistenzsystem, kombiniert mit Lerninhalten. Für die Inhalte bedeutete dies eine große Vielfalt, u.a.: Prozessverständnis und Einarbeitung in das neuentwickelte Verfahren, Bedienung der Anlage unter Nutzung von Erfahrungswissen und Maschinendaten, Kontroll- und Instandhaltungsaufgaben.
Weiterreichendes Ziel, auch über das Projektende hinaus, ist die Prozessetablierung der laserbasierten Trockenvorbehandlung in der Textilindustrie und die Integration der Technologie als Inline-Prozess in der Textilveredlung. Die Notwendigkeit der Ressourcenschonung und der Trend zu Losgröße 1 bietet dafür beste Voraussetzungen. Das zugrundeliegende Verfahren sowie die Anlage der laserbasierten Trockenverhandlung wurde in Zusammenarbeit von Laser on demand GmbH, Burgdorf (LOD), und dem STFI entwickelt.
Es existiert eine prototypische Anlage am STFI, die zur Prozessoptimierung und –etablierung genutzt wird. Da die Investitionen in eine neue Technologie neben großen Chancen jedoch immer auch Risiken in sich bergen, wird am STFI kontinuierlich daran gearbeitet, den Prozess und die Anlage der laserbasierten Trockenvorbehandlung zu optimieren, und die potenziellen Kunden mit den Ergebnissen zu überzeugen. Dazu leistet das Assistenzsystem einen essenziellen Beitrag.
Vorteile und Lösungen
Nutzerzentriertheit als Basis: Bedarfsanalyse durch intensiven Austausch mit aktuellen und potenziellen Nutzern. Beachtung der Grundsätze der Dialoggestaltung nach DIN EN ISO 9241-110 zur - Herstellung einer maximalen Nutzerfreundlichkeit,
- Angebotsvielfalt, die Bediener umfassend unterstützt: Prozessverständnis, Bedienung der Anlage,
- Nutzung von Erfahrungswissen und Maschinendaten in Echtzeit, Kontroll- und Instandhaltungsaufgaben etc.,
- Systemunabhängige Nutzung auf verschiedenen Endgeräten, wie z.B. Smartphones und Tablets,
- Extraktion von Grundlagenwissen über das Assistenzsystem hinaus zur Weitergabe in der Branche und damit Steigerung von Bewusstsein und Akzeptanz für dieses Verfahren.
Zielgruppe und Zielmarkt
Die erarbeiten Projektergebnisse legen den Grundstein, um eine UV-laserbasierte Trockenvorbehandlung als Arbeitsprozess innerhalb der Textilveredelung einsetzen zu können und somit die rapportfreie und individuelle Vorbehandlung von Textil zu ermöglichen. In Verbindung mit dem entwickelten Assistenzsystem unter Einbeziehung von implizitem Wissen erfahrener Kollegen konnte hierbei eine Möglichkeit entwickelt werden, die eine schnelle Einarbeitung und Bedienung der Anlage durch fachfremdes Personal ermöglicht.
Neben der möglichen Substitution nasschemischer Veredelungsprozesse bietet das Verfahren eine digitale laserbasierte Vorkonditionierung von textilen Oberflächen, z.B. für den Digitaldruck, die damit ein Alleinstellungsmerkmal und hohen Neuheitsgrad besitzt. Es ist keine andere Technik bekannt, die eine trockene rapportfreie Trockenvorbehandlung des Textils als Bearbeitungsschritt gewährleisten kann.
Der Prozessansatz adressiert die Herstellung einzelner Muster bzw. Konzepte mithilfe individuell ansteuerbarer Fertigungsprozesse, die es ermöglichen auf spezielle Kundenwünsche einzugehen und unmittelbar zu reagieren. Darauf aufbauend ist die Herstellung funktionstüchtiger Einzelstücke im Sinne einer bedarfsgerechten („on-demand“) sowie einer individuellen („customized“) Fertigung. Die in Deutschland stark mittelständisch geprägten Textilunternehmen müssen zeitnah auf spezielle Kundenwünsche eingehen können.
Im Zuge des schnelllebigen Textilmarktes und seinem Wandel hin zu einem konsumentenzentrierten Markt (consumer centricity), ist die Erörterung eines einzelnen bestehenden Marktes nicht umfassend genug. Innovative Fertigungswerkzeuge (wie die UV-Laserbelichtung), adressieren mehrere relevante Marktbereiche von der Bekleidung, über Heimtextilien zu technischen Textilien. Die daraus resultierende digitale Fertigung ist somit auf all diese Bereiche übertragbar. Die Prozessinnovation an sich bedient Kundenwünsche, die in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen haben, wie slow fashion, zero waste, recycling/upcycling, ethische Materialien, ökologische Produktion, Fair trade, social design, grüner Knopf, Bluesign, CradleToCradle und Transparenz.
Es ist davon auszugehen, dass mit der vorliegenden Entwicklung ein entsprechender zeit- und damit kostentechnischer Vorsprung erreicht wird, der Kunden europaweit interessiert. Die Textil- und Modeindustrie im primären Zielmarkt Deutschland erwirtschaftet mit ca. 1.400 Unternehmen und 122.000 Beschäftigten etwa 32 Milliarden Euro Umsatz p.a. Dabei besitzt der überwiegende Teil der Unternehmen weniger als 50 Mitarbeitende und wird deshalb in vielen Statistiken nicht ausreichend einbezogen. Der Umsatz von ca. 1,05 Mrd. Euro der deutschen Betriebe für Textilveredlung in 2022 bietet damit auch nur einen Orientierungswert. In 2022 sind 95 Unternehmen im Bereich der Textilveredlung in Deutschland tätig gewesen. (Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie e.V. , 2023) Dabei wurden nur Unternehmen erfasst mit einer Mitarbeiterzahl ab 20. Aus dieser Anzahl von Firmen ergibt sich eine geschätzte Anzahl von ca. 400 Anlagen, die für dieses Anwendungsgebiet eingesetzt werden könnten.
Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Unternehmen der Textilveredlung unbedingt Ressourcen, wie Wasser und Energie, durch Trocknungsprozesse einsparen. Die Trockenvorbehandlung muss sich hierzu in den Produktionsprozess etablieren.
Da es sich um ein komplett neues Verfahren handelt, dass erstmals die trockene rapportfreie Vorbehandlung in Form von Belichtung von Textilien ermöglicht, gibt es keine Wettbewerbsprodukte, mit denen es kostenseitig verglichen werden kann.
Die hohen Erstinvestitionskosten für die Anlage amortisieren sich bereits über einen geringen Zeitraum durch die Vorteile der digitalen Fertigung, kundenindividueller Produktion (n = 1…1000) und geringerer laufender Betriebskosten für Energie, Chemie und Abwasser. Damit bietet diese Technologie auch Potenzial für Start-ups und kleine Unternehmen. Die Zeit für die Qualifizierung wird durch den produktionsbegleitenden Einsatz von Assistenzlösungen verkürzt. Stillstandzeiten realer Maschinen sowie Anlagen für die Qualifizierung werden minimiert sowie Fehler der MitarbeiterInnen im realen Arbeitsprozess reduziert. Diese Auswirkungen führen zu Kosteneinsparungen sowie Produktivitätserhöhungen bei späteren Anwendungsunternehmen.