Ziel der Entwicklung

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Wichtige Komponenten eines Sorptionskühlers im Dichtheitstest bei kryogenen Temperaturen

Ziel des Vorhabens war die Entwicklung kompakter Kühlsysteme für Temperaturen bis in den Millikelvin-Bereich, die sowohl durch ihren modularen Aufbau als auch durch einen besonders einfachen und schnellen Zugang zum Probenraum signifikante Vorteile gegenüber konventionellen Systemen bieten.
Insbesondere an Forschungszentren und Universitäten werden Tieftemperatursysteme äußerst selten in einer starren, unveränderbaren Form verwendet, welche nur für eine einzige Anwendung geeignet ist. Vielmehr werden sie ständig an verschiedenartige Messanforderungen bei der Probencharakterisierung angepasst. Ein Beispiel dafür ist der Einsatz des Probenkühlsystems in Neutronen- oder Röntgenstreuexperimenten. Hierbei treten sehr unterschiedliche Phasenübergangstemperaturen auf. Dadurch ergeben sich hohe Anforderungen an den abzudeckenden Temperaturbereich. Weiterhin ist es unter dem Gesichtspunkt eines kostengünstigen Kühlsystems erstrebenswert, mit modularen Lösungen eine Vielzahl möglicher Anwendungen bei potenziellen Kunden einschließlich variierender Anforderungen an Basistemperatur, Kühlleistung und Abkühlzeit bedienen zu können.
Durch den modularen Aufbau wird eine große Breite an Einsatzfeldern abgedeckt, für die bei konventionellen Aufbauten mehrere Kryostaten genutzt werden müssen. Weiterhin ist es möglich, auf Basis dieses Kühlsystems auch 3He- oder 4He-Kühler für verschiedenartige Anwendungen zu konzipieren und zu realisieren. Der modulare Aufbau erlaubt eine schnelle und kostengünstige Konstruktion und Fertigung der Systeme bei hoher Variabilität von Betriebsparametern (z. B. der erforderlichen Kühlleistung), dessen einfache Bedienbarkeit breite Anwendungen ermöglicht, woraus eine große Marktstärke abzuleiten ist.
Ein gravierender Nachteil bei der Verwendung von 3He-4He-Mischungskryostaten ist der langwierige und viele Arbeitsschritte erfordernde Probenwechsel. In einem konventionellen System ist es dazu zunächst erforderlich, die Zirkulation im Mischungskreislauf zu stoppen, die 3He-4He-Mischung auszuheizen und in einen Ausgleichsbehälter zu pumpen. Die Mischung kann nicht im Kreislauf verbleiben, da der starke Druckanstieg, welcher aus den stark unterschiedlichen Dichten der flüssigen und der gasförmigen Phase resultiert, bei Erwärmung zur Zerstörung des Systems führen würde. Danach wird das den Mischungskreislauf und Probenhalter fassende Vakuumgefäß aus dem mit Flüssighelium gefüllten Kryostaten gezogen und nach genügender Erwärmung auf Raumtemperatur die Probe gewechselt. Nach dem Wiedereinbau des Vakuumgefäßes müssen alle Komponenten des Mischungskreislaufs erst auf die Temperatur des Helium-Bades, dann auf 1 bis 1,5 K vorgekühlt werden, bevor die Zirkulation der Mischung zu einer weiteren Abkühlung führt (Mischungslücke unterhalb der Separationstemperatur von 0,87 K) und die Probe wieder auf Basistemperatur abkühlt. Üblicherweise erfordert ein Probenwechsel damit eine Unterbrechung des Messbetriebs von etwa 24 Stunden (unter Beachtung von Aufwärmung, Aus- und Einbau sowie Abkühlung). Eine Verkürzung der Probenwechselprozedur ist daher gleichbedeutend mit einer extremen Vereinfachung und Beschleunigung des Messbetriebs.
Der innovative Ansatz des Forschungsvorhabens besteht darin, die Probenplattform außerhalb des mit Flüssighelium gefüllten Kryostaten derart anzubringen, dass ein Probenwechsel vorgenommen werden kann, ohne dabei die Mischungszirkulation zu unterbrechen oder gar die Mischung ausheizen zu müssen. Dies wird durch eine spezielle Anordnung von Wärmeschaltern gewährleistet.
Zu realisierende Systeme sind ein 3He-Kühler, eine Lösungskältestufe, welche als Erweiterung des 3He-Kühlers zu tiefen Temperaturen hin eingesetzt wird, sowie ein Kühler für besonders schnellen Probenwechsel im 4He-Badkryostaten. Folgende Ziele und Parameter werden dabei angestrebt:
- Lösungskältemaschine: Basistemperatur ca. 50 mK, Kälteleistung mindestens 50 µW @ 100 mK
- 3He-System: Kälteleistung mindestens 1 mW @ 0,4 K
- Gesamtzeit für Probenwechsel (inklusive Aufwärm- und Abkühlzeit) deutlich unter 12 Stunden
- sämtliche Systeme arbeiten kontinuierlich ohne Verbrauch kryogener Flüssigkeiten, damit wird wartungsarmer Betrieb möglich
- Eignung der Kühlsysteme für variierende Umgebungsbedingungen, hohe Toleranz gegenüber Störeinflüssen wie Verkippen, mechanische/elektrische Schwingungen
- Modulares Konzept: Kombination von Elementen für verschiedenartige Basistemperaturen und Anwendungen
- Skalierbarkeit der Systemlösungen für unterschiedliche Kühlleistungen
- Kostengünstige Realisierung von Kühlsystemen im Bereich sehr tiefer Temperaturen.

Vorteile und Lösungen

Mit den Vorhabensergebnissen können wie beabsichtigt kompakte Kühlsysteme für Temperaturen bis in den Millikelvin-Bereich angeboten werden, welche sowohl durch ihren modularen Aufbau als auch durch den einfachen und schnellen Zugang zum Probenraum signifikante Vorteile gegenüber konventionellen Systemen bieten. Dafür wurden umfangreiche Berechnungsmodelle und Zeichnungssätze erstellt. Zudem konnten vorhandene Testeinrichtungen so umgebaut werden, dass sie für die besonders hohen Anforderungen bezüglich der 3Helium-Dichtheit geeignet sind.
Die durchgeführten experimentellen Untersuchungen einschließlich der Modifizierungen im Rahmen der Optimierungsarbeiten sowie die Umsetzung der Ergebnisse in die umfangreiche Konstruktion modularer und skalierbarer Kühlsysteme stellen die technisch-technologische Basis für spezielle, auf Kundenwünsche zugeschnittene Weiterentwicklungen dar. Mit dem Bau eines ersten angepassten 3Helium-Systems für Neutronenstreu-Experimente erfolgt derzeit ein erster wichtiger Schritt zur Vermarktung der Vorhabensergebnisse; der gewählte Ansatz zur Entwicklung kompakter und modularer Kühlsysteme hat dabei seine Tragfähigkeit bewiesen.
Der Kundennutzen und die verbesserten Eigenschaften entstehen durch die vorteilhaften Merkmale, welche der Projektidee zugrunde liegen und die im betreffenden Abschnitt dieser Präsentation erläutert sind. Weiterer Gewinn wird aus der erfolgreichen Entwicklung spezieller Komponenten wie kryogene Wärmeschalter und einem erweiterten Testangebot unter besonders hohen Anforderungen entstehen.

Zielgruppe und Zielmarkt

Der primäre Bedarf an kompakten modularen Kühlsystemen besteht bisher in verschiedenartigen Forschungseinrichtungen weltweit. Schwerpunkte bilden dabei neben Untersuchungen grundlegender Phänomene wie Quanteneffekte, Entwicklungen in den Bereichen der kryogenen Detektoren und der kryogenen Elektronik. Für diese Gebiete sind in den kommenden Jahren entscheidende Schritte hin zu wirtschaftlichen Anwendungen zu erwarten, woraus auch eine wesentliche Verbreiterung des Zielmarktes abzuleiten ist. Neben diesem Hauptziel ist ein weiterer interessanter Kundenkreis im Gebiet spezieller Lösungen für Großforschungszentren und ähnliche Einrichtungen zu nennen, welcher sich zwar durch kleinere abzusetzende Stückzahlen, aber auch durch sehr aufwändige und hochwertige Systeme auszeichnet.
Die im FuE-Vorhaben durchgeführten Untersuchungen und Optimierungsarbeiten lassen erwarten, dass wesentliches Know-how in den Bereichen kryogene Komponentenentwicklung sowie Material-/Bauteilcharakterisierung gewonnen oder erweitert werden kann. Derartige Erkenntnisse können in verschiedenartigen Marktfeldern genutzt werden, in denen das ILK bereits länger aktiv ist. Beispielhaft sind an dieser Stelle die Entwicklung und der Bau spezieller Kryostate sowie Anwendungen im Bereich der kalten überkritischen Gasspeicherung, insbesondere für den Automobilbereich, zu nennen. Wesentliche Komponenten sind beispielsweise Wärmeschalter, Wärmetauscher und Speziallösungen für thermische Ankopplungen oder Abschirmungen.
Im Vergleich zu der beschriebenen Situation im Projektantrag ist nun festzustellen, dass beide Anwendungsfelder weiterhin von Bedeutung sind. Aktuelle Schwerpunkte entsprechend von Kundenanfragen etc. können einerseits in Kühleinrichtungen für Neutronenstreu-Experimente, andererseits in Anwendungen wie der Nutzung spezieller thermischer Kontaktierungen für Tieftemperatur-Sensoren, gesehen werden.
Aktuell verfügbare Kühlsysteme werden international von einigen wenigen Herstellern angeboten, von denen Oxford Instruments der bekannteste ist. Außerhalb Europas ist insbesondere Janis Inc. (USA) zu nennen. Wesentliche Nachteile der bekannten Systeme sind hohe Anschaffungskosten, insbesondere für an spezielle Kundenanforderungen angepasste Systeme, und die komplizierte, zeit- und personalaufwändige Handhabung. Somit besteht eine große Nachfrage für kompakte, modulare und preisgünstige Kühlsysteme für sehr tiefe Temperaturen.
Insbesondere auf dem Gebiet von Kühlsystemen, welche für die speziellen Anforderungen von Neutronenstreu-Experimenten in Forschungszentren besonders geeignet sind, ist aktuell von guten Markteintrittschancen auszugehen. Der Bedarf an derartigen hochwertigen Geräten kann mit mehreren Stück pro Jahr benannt werden.
Eine Abschätzung der Marktgröße für Kühlsysteme für sehr tiefe Temperaturen ist nur sehr grob möglich, da bisher keine zusammenfassende Studie dazu bekannt ist, da weiterhin in Angaben von Wettbewerbern benachbarte Technologiefelder wie Kryokühler oder Flüssigerdgas-Anwendungen mit enthalten sind und weil zudem die Struktur potenzieller Kunden (Forschungszentren, Universitäten, Private) recht heterogen ist.
Als eher vorsichtige Abschätzung des Marktvolumens für Kühlsysteme für sehr tiefe Temperaturen kann ein Wert von aktuell 20 bis 50 Millionen Euro gelten. Aufgrund der starken Dynamik dieses Marksegments kann bis 2018 nahezu eine Verdopplung der Marktgröße erwartet werden.
Bei der direkten (internen) Vermarktung der Kühlsysteme wird ein Anteil von 1 Prozent im Jahr 2014 angestrebt. Bis zum Jahr 2018 ist eine Steigerung auf zirka zwei bis drei Prozent geplant.
Zusätzlicher Nutzen des Projekts entsteht durch den Einsatz der entwickelten Technologien für ILK-Versuchsstände. Insbesondere ist es beabsichtigt, die vorhandene Anlage zur Kalibrierung von Tieftemperaturthermometern mit einem 4He-Sorptionskühler auszurüsten. Bisher wird der Versuchstand mit einem großvolumigen Heliumbad betrieben, was mit erheblichen Betriebskosten und mit hohem Personal- und Zeitaufwand verbunden ist. Durch die geplanten Umbauten sind deutliche Einsparungen zu erwarten, wodurch eine Verbesserung der Wettbewerbssituation und steigende Umsätze in diesem Segment prognostiziert werden können.