Ziel der Entwicklung

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endbehandeltes Filament auf Produktionsumlaufspule

Die Vorhabenszielstellung ist die Entwicklung einer Verfahrenstechnologie für eine praktikable und kostengünstige Herstellung von Mono- und Multifilamenten größerer Durchmesser aus Cellulose mit und ohne implementierten Zusatzstoffen als Endlosfilament für die Pinsel- und Bürstenindustrie und neu zu erschließender Einsatzfelder in technischen Anwendungen. Bisher entwickelte Technologien und Ausrüstungen des Lyocellverfahrens sind darauf ausgerichtet, Filamente und Fasern in Feinheiten herzustellen, wie sie üblicherweise in textilen Anwendungen mit Filamentdurchmessern von deutlich unter 100 µm verwendet werden. Während die reine Verformung von cellulosehaltigen Spinnmassen zu groben Filamenten gegenüber sehr feinen Fasern leichter realisierbar ist, ergeben sich für die nachfolgend erforderlichen Prozesse des Lösungsspinnens gravierend zunehmende Problemstellungen bis zum Erreichen eines konditionierten Formkörpers. Überall dort, wo im gebildeten Formkörper das Lösungsmittel entfernt, chemische Umwandlungsreaktionen erfolgen, einziehende Appreturen aufgebracht werden müssen oder diese zu trocknen sind, werden wesentlich längere Zeiträume unter definierten Bedingungen benötigt, um den erforderlichen Endzustand des Formkörpers erreichen zu können. Bei kontinuierlich ablaufenden Prozessen wie der Fadenbildung im Spinnprozess stößt man dabei an die Grenzen einer technisch realisierbaren Umsetzbarkeit. Entweder werden viel größere Anlagen benötigt, um notwendige Verweilzeiten sicherstellen zu können verbunden mit abnehmender Stabilität der Prozessführung oder man muss nach neuen Lösungswegen suchen.
Indem diese zeitaufwendigen Folgebehandlungsprozesse am Formkörper durchgeführt werden, wenn dieser zuvor bereits in einem Spulenwickel fixiert wurde, wird eine vom Fadenbildungsprozess unabhängige und konzentrierte Behandlung ohne Beeinträchtigung der Prozesssicherheit möglich. Der Lösungsansatz sah vor, die lediglich vorfixierten frisch ersponnenen Filamente, gekennzeichnet durch hohen Quellungszustand, hohen Lösungsmittelanteil und geringe Festigkeit, zunächst auf eine speziell gestaltete Produktionsumlaufspule aufzuwinden. Alle nachfolgend notwendigen zeitaufwendigen Behandlungsschritte der Filamentwäsche, -präparierung und -trocknung bis zum konfektionierbaren Filament werden zielgerichtet am Filamentwickel durchgeführt. Bedingt durch begleitendes Entquellungs- und Schrumpfverhalten der Filamente im Wasch- und Trocknungsprozess wurde eine schrumpfaufnehmende Produktionsumlaufspule konzipiert, die unter Vorspannung einen kontrahierbaren Wickelkern aufweist. Zudem erfolgen die einzelnen Behandlungsschritte nur zielgerichtet und konzentriert durch Zwangsführung der Behandlungsmedien von innen nach außen durch den Filamentwickel. Einsetzende Entquellung und Schrumpf werden so auch von innen nach außen durch den Filamentwickel getragen und der Wickelaufbau bleibt erhalten. Die Waschprozesse und das Aufbringen von Verarbeitungspräparationen können sehr effizient und konzentriet durchgeführt werden. Bedingt durch die Spulengeometrie zur Erzielung möglichst gerader Filamente für die Anwendung in der Bürsten- und Pinselindustrie als Trommelspule größeren Durchmessers zeigte sich, dass die ursprünglich vorgesehene Trocknungsmethode durch Einpressen von Heißluft von innen nach außen durch den Wickel nicht zielführend umgesetzt werden konnte. Mit Hilfe der Mikrowellentrocknung konnte jedoch eine Methode ermittelt werden, die eine gute Vortrocknung für abschließende Umspulprozesse auf Lieferspulen ermöglichte. Während des Umspulprozesses auf die Konfektionsspulen erwies es sich als vorteilhaft, durch eine gekoppelte Nachtrocknung insbesondere bei der Aufwindung von Mehrfachfilamenten eine abschließende Vergleichmäßigung der parallel aufgewundenen Filamente zu erreichen, die eine störungsfreie kontinuierliche Weiterverarbeitung sicherstellt.

Vorteile und Lösungen

Bisher werden die kontinuierlich ersponnenen Filamente zu Bündeln definierter Menge zusammengefasst und in dieser Form mit hohem manuellen Aufwand bis zum Endzustand weiterbehandelt. Wegen der hohen Fertigungskosten werden diese bisher nur als konfektionierte Borstenstapel für hochpreisige Nischenanwendungen eingesetzt. Durch die Technologieentwicklung wird es möglich, nach dem Lyocell-Prozess generierte Formkörper in Abmessungen größerer Durchmesser als Endlosfilament zu fertigen, was erforderlich ist für eine effiziente Weiterverarbeitung in automatisierten Prozessen der Bürsten- und Pinselindustrie. Zudem werden die Fertigungskosten wesentlich gesenkt. Nach Markteinschätzung ergibt sich gegenwärtig ein Bedarf an Borsten mit Abrasiva von mehr als 3000 t/a. Noch wensentlich höher wäre der Bedarf an unbeladenen Borsten für die klassische Pinsel- und Bürstenindustrie, da bisher verwendete Naturmaterialien immer schwieriger beschaffbar sind und immer teuerer werden.
Neben der Nachhaltigkeit der Cellulose als nachwachsendem Rohstoff und deren bedenkenloser Abfallbehandlung ohne Umweltbelastung, besitzt dieser Werkstoff zusätzliche Alleinstellungsmerkmale bezüglich dessen Nichtschmelzbarkeit und Wasseraufnahme, die auch in klassischen Einsatzgebieten wertvoll sind. Die Effekte aus einem Ergebnistransfer dieser Entwicklung lassen sich wie folgt darstellen:
- Reduzierung des spezifischen Lohnkostenanteiles um mindestens 50 Prozent, was einer Kosteneinsparung von 80 Euro/kg Fertigware entspricht.
- Senkung der unvermeidlichen Materialverluste aus der gegenwärtigen Behandlung im Strang von über 10 Prozent auf unter 5 Prozent, was allein bei einem gängigen Sortiment mit 20 Prozent Diamantanteil 6,50 Euro/kg nur für das Diamantpulver beträgt.
- eine schrittweise geplante Kapazitätssteigerung der Fertigung im Partnerunternehmen

Zielgruppe und Zielmarkt

Mit dieser Technologieentwicklung konnte eine technische Lösung erarbeitet werden für eine industrielle Fertigung von Endlosfilamenten großer Durchmesser aus Cellulose nach dem Lyocell-Verfahren. Da die Ausrichtung sich in erster Linie auf Durchmesserbereiche außerhalb textiler Anwendungen konzentrierte, sind deren Einsatzgebiete vorrangig in technischen Bereichen zu sehen. Die hinzu gewonnenen Erkenntnisse zu den Einflussfaktoren aus den Behandlungsbedingungen der einzelnen Prozessstufen auf die Produkteigenschaften wurden bereits in bestehenden Fertigungsprozessen von Spezial- und Entwicklungsprodukten umgesetzt. Dadurch konnten Ursachen für einzelne Qualitätsschwankungen in der Verarbeitbarkeit von Borsten in der Bürstenindustrie und piezokeramischer Fasern zur Herstellung von Verbundwandlern ermittelt und gezielt beseitigt werden. Das ist ein wesentlicher Beitrag dazu, prognostizierte Bedarfserwartungen schneller erreichen zu können. Die Technologieentwicklung selbst bildet mit den entwickelten Ausrüstungskomponenten die Grundlage für die praktische industrielle Umsetzbarkeit. Sie ist Bestandteil eines erarbeiteten Gesamtkonzeptes zur Fabrikation technischer Filamente für verschiedene Einsatzgebiete zu im Markt umsetzbaren Aufwendungen mit Erweiterungspotential. Die dafür benötigten Investitionen werden in Angriff genommen, sobald die erwartete Bedarfsentwicklung eine Größenordnung erreicht, dass die wirtschaftlichen Effekte daraus diese ökonomisch darstellbar gestalten.