Ziel der Entwicklung

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Dünnschichtheizung zur direkten Temperierung der Grenzfläche zwischen Kunststoffschmelze und Werkzeugkavität

Zur Modifikation der Fließeigenschaften sowie zur gezielten Verbesserung der Oberflächeneigenschaften von spritzgegossenen Formteilen werden Spritzgießwerkzeuge dynamisch (variotherm) temperiert. Dabei wird in jedem Zyklus vor dem Einspritzen die Oberflächentemperatur der Kavität auf eine Temperatur, vorzugsweise über der Glasübergangs- oder Kristallitschmelztemperatur, gebracht und nach dem Einspritzen wieder gekühlt. Aufgrund der Trägheit thermischer Prozesse führt eine Änderung der Oberflächentemperatur zwangsläufig zu einer deutlichen Verlängerung der Zykluszeit.
Zur Verringerung der Zykluszeiten variothermer Prozesse sind in den letzten Jahren viele innovative Beheizungs- und Kühlkonzepte für Spritzgießwerkzeuge entwickelt worden. Darunter sind beispielsweise Widerstandsheizelemente aus Keramik, induktive Verfahren, die Bestrahlung der Werkzeugoberfläche mit Infrarot-Licht oder CO2-Kühlung. Ziel dieser Entwicklungen ist die deutliche Reduzierung der Zykluszeit im Variothermprozess und die Minimierung der beheizten Masse des Werkzeuges, um eine vorteilhaftere Energiebilanz zu erzielen. Die direkte thermische Beeinflussung der Kontaktfläche zur Werkzeugwand ist für die Verbesserung der Fließfähigkeit der Kunststoffschmelze ideal. Um eine schnelle Abkühlung des Formteils nach dem Einspritzprozess zu erreichen,  sollte nur die Kontaktfläche beheizt werden und die restliche Werkzeugmasse auf Entformungstemperatur gehalten werden.
Das Ziel des Projektes ist die Entwicklung einer technisch/ technologischen Lösung zur direkten Beheizung der Kontaktfläche zwischen Werkzeugwandung und Kunststoffschmelze auf Grundlage von Dünnschichtheizelementen. Diese sollen als Schichtsystem, in Verbindung mit einer elektrischen Isolierschicht, auf die Oberfläche eines Spritzgießwerkzeuges aufgebracht werden.  Als Ergebnis ist eine deutliche Verringerung der Zykluszeiten und eine starke Reduzierung des Energieverbrauchs gegenüber konventioneller Variothermtechnik zu erwarten.
Ergebnisse:
Zunächst wurde ein geeignetes Demonstrationsformteil entwickelt, welches das Einbringen von Fließhindernissen, für das definierte Provozieren von Zusammenfließlinien, ermöglicht. Weiterhin
kann die Oberfläche des Formteils ganz oder teilweise mit Mikro- und Nanostrukturen versehen werden, wodurch eine Untersuchung der Abformgenauigkeit, beispielsweise durch Kontaktwinkelmessung, möglich wird.
Der für die zuverlässige Prozessführung des Heizsystems notwendige Regelalgorithmus konnte im Projektverlauf erfolgreich entwickelt werden und wurde auf die Hardwareplattform des Reglers
portiert. Zusätzlich wurden Softwaremodule zur Visualisierung der Prozessgrößen und für die Aufzeichnung relevanter Messdaten entwickelt und getestet. Für die Kommunikation zwischen Regler und Spritzgießmaschine wurde eine spezielle Schnittstelle geschaffen, die eine variotherme Prozessführung gestattet und gleichzeitig sicherheitstechnische Aspekte berücksichtigt.
Nach erfolgreicher Entwicklung der Werkzeug- und Regeltechnik wurde mit der Durchführung
von Spritzgießversuchen begonnen. Es konnte eine deutliche Verringerung der Zykluszeit gegenüber konventioneller Variothermtechnik erreicht werden. Die provozierte Bindenaht konnte unter Einsatz der Dünnschichtheizung optisch beseitig werden. Mit Hilfe eines FRT-Oberflächenmessgerätes konnte nachgewiesen werden, dass die Oberflächenqualität der Bidenaht der des restlichen Formteils entspricht.
Ein entscheidendes Projektziel, die Verbesserung der Abformung von Nanostrukturen auf dem Formteil, konnte ebenfalls erreicht werden. Auf das vorhandene Heizschichtsystem wurde dazu eine
zusätzliche nanostrukturierte Schicht abgeschieden. Bei Temperierung mit der Dünnschichtheizung zeigt sich eine vollständige und großflächige Abformung. Dadurch lassen sich hydrophobe oder antireflexive Oberflächen erzeugen.
Fazit:
Im Rahmen des Projektes ist es gelungen, eine konturnahe Dünnschichtheizung zur direkten  Temperierung der Grenzfläche zwischen Kunststoffschmelze und Werkzeugkavität zu entwickeln und erfolgreich zu erproben. Die positiven Effekte einer variothermen Temperierung auf die Formteilqualität konnten ebenso nachgewiesen werden, wie der deutliche zeitliche und energetische Forteile einer Lösung mit konturnaher Temperierung.

Vorteile und Lösungen

Für den Kunststoffverarbeiter ergeben sich durch den Einsatz einer konturnahen variothermen Werkzeugtemperierung auf Basis von Dünnschichtheizelementen folgende entscheidende Vorteile:
- deutliche Verkürzung der Zykluszeiten im Variothermprozess
- Verringerung der Heizleistung gegenüber konventioneller Variothermtechnik
- direkte Beheizung der Werkzeugkavität mit wenig Energieeintrag (hohe Leistungsdichte, hohe Energieeffizienz)
- Präzisere Abformung der Werkzeugkontur, dadurch Abformung von nanostrukturierten Oberflächen möglich
- Minderung des Einflusses von Bindenähten in Formteilen (Sichtbarkeit, Festigkeit)
- Verbesserung der Morphologie der Formteile im Bereich der Randschicht

Zielgruppe und Zielmarkt

Die Dünnschichtheizung zeichnet sich durch eine hohe Leistungsdichte und eine dementsprechend hohe Temperaturdynamik durch die geringe thermische Masse aus. Somit ist selbst im Variothermprozess eine sehr gute Energieeffizienz zu erzielen. Im Rahmen eines Folgeprojektes könnte die entwickelte Lösung dahingehend erweitert werden, dass eine allseitige variotherme Temperierung des Formteils möglich wird. Dadurch könnten beliebige Formteile mit hochwertigen Oberflächeneigenschaften, zum Beispiel hochglänzend oder hydrophob, bei deutlich geringeren Zykluszeiten und mit einem Bruchteil des Energieeinsatzes von konventionellen Variothermverfahren hergestellt werden.