Ziel der Entwicklung

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Spritzgießrheometer mit Messkanal und Gegendrucknadel

Ziel des geplanten Vorhabens war die Entwicklung und Erprobung von Spritzgießrheometern zur Ermittlung der wahren Viskositätsfunktion unter Berücksichtigung rheologischer Phänomene bei auftretenden Gegendrücken unter den Bedingungen des Spritzgießprozesses. Im Einzelnen sollte der Druckeinfluss auf die Viskositätsfunktion und das Wandverhalten verschiedener Polymerschmelzen untersucht werden. Da die Kunststoffe durch Zugabe von Additiven wie Gleit-, Nukleierungs-, Farbmittel, Treibmittel, Montanwachse, Kettenverlängerer sowie von Füllstoffen wie Talkum, Keramik ihre Fließeigenschaften drastisch verändern, kann nur durch eine Messung direkt im Verarbeitungsprozess die veränderte Materialcharakteristik erfasst werden.
Im Detail kann das entwickelte Messsystem zur Ermittlung der wahren Viskositätsfunktion von Polymerschmelzen mit Additiv- und Füllstoffzusätzen in Abhängigkeit von Druck-, Temperatur- und Scherbeanspruchung genutzt werden. Es lässt sich eine Präzisierung des materialspezifischen Verhaltens unter Praxisbedingungen ermitteln und Einfluss auf einen störungsfreien Ablauf im Spritzgießprozess nehmen.
Die korrigierte Viskositätsfunktion unter Gegendruck kann vielmehr auch zur Erweiterung der Simulationsdatenbanken zur optimalen Formteilauslegung beitragen. Dies kann sich positiv auf Entwicklungsprozesse auswirken und Entwicklungszeiten auswirken. Weitere, ermittelbare Kenngrößen wie Gleitgeschwindigkeit können zur effektiven und ressourcenschonenden Reinigung von Plastifizieraggregaten und gegebenenfalls Heißkanälen genutzt werden. Ein Geringer Aufwand zur Inbetriebnahme durch unkomplizierte Handhabung, transportable und kompakte Bauweise sowie schnelle und einfache Bedienung tragen zur einer breiten Akzeptanz bei.
Mit Projektaufnahme wurden grundlegende Betrachtungen zur technologischen Prozessführung für die rheologischen Untersuchungen unter Gegendruck durchgeführt. Die umfangreichen, einsatzbezogenen Recherchearbeiten zur Analyse der Daten von Einbauraum und Parameter der Spritzaggregate wurden durchgeführt. Diese dienten als Basis für Dimensionierung und Konstruktion der Spritzgießrheometer und deren Anpassung an verschiedene Maschinengrößen. Die Baugröße der Spritzgießrheometer wurde an die Platzverhältnisse im Düsenvorraum der jeweiligen Spritzgießmaschinen angepasst. Im ersten Schritt wurden die Spritzgießrheometer so konstruiert, dass sie zwischen die Düse der Spritzgießmaschinen und die Angussbuchse am Werkzeug geklemmt und vom gesamten Schmelzestrom der Spritzgießmaschine durchströmt werden konnten. Die Gesamtkonstruktion für alle Rheometer-Module beziehungsweise Wechseleinsätze wurde so umgesetzt, dass die aufzubringenden Investitionen für Sensorik auf ein Minimum reduziert werden konnten. Dazu wurde eine Modulhälfte mit der Sensorik ausgerüstet, die anderen Modulhälften mit der jeweiligen Kanalgeometrie. Je nach Bedarf konnten die verschiedenen Modulhälften mit den Kanalgeometrien und der Sensorikplatte verbaut und eingesetzt werden. Für die Spritzgießrheometer wurden in der konstruktiven Phase eine Variante entwickelt, bei der die Gegendruckdüse so integriert werden kann, dass beide Varianten sowohl Fließkurven ohne Gegendruck als auch Fließkurven mit Gegendruck in einem Messmodul ermittelt werden können. Die einstellbaren Spaltmaße zur Variation des Gegendruckes, wurden durch das Verdrehen eines Gegendruckstiftes über ein Feingewinde und damit ein partielles Verschließen der Gegendruckkammer realisiert. Mit Veränderung der Eintauchtiefe des Gegendruckstiftes in die Gegendruckkammer ließen sich verschiedene Gegendrücke erzielen.
Für die Bestimmung der Wandgleitgeschwindigkeit und zur Aufrechterhaltung der Randbedingungen für den Mooney-Ansatz wurden mindestens zwei Modulhälften mit verschiedenen Kapillargeometrien benötigt. Die beiden Modulhälften mussten soweit geometrisch ähnlich sein, dass mit dem konstanten B/H-Verhältnis bereits bei relativ kleinen Schlitzhöhenverhältnissen H1/H2 eine Differenzierung von Wandgleiteffekten festgestellt werden kann.

Vorteile und Lösungen

Zur Aufnahme, Darstellung und Bearbeitung der Sensorsignale wurde ein anwenderfreundliches Messwerterfassungs- und extraktionstool auf PC-Basis entwickelt. Die für die Spritzgießrheometer entwickelte Software besteht aus mehreren Tableaus, die den Anwender Schritt für Schritt zur Fließkurve mit und ohne Gegendruck leiten und die Messgrößen in korrigierte, wahre Materialfunktionen überführen.
Anschließend wurden zur Bewertung der Messergebnisse praktische Versuche und mit parallel geschalteten Formfüllsimulationen an einem Formteil durchgeführt, um die Aussagekraft erhaltener Viskositätsfunktionen mit Gegendruck zu untersetzen und eine Verbesserung der Simulationsprogramme zur optimalen, kunststoffgerechten Formteilauslegung unter Nutzung der ermittelten Daten zu erzielen. Beim Durchlauf der Füllsimulationen mit hohen Gegendrücken ergab sich ein um zirka 60 Prozent höherer Druckbedarf für die Formfüllung im Vergleich zum Durchlauf mit Standard-Viskositätsdaten. Überträgt man diese Ergebnisse auf die Praxis, würden beginnend bei der Maschinenauswahl bis hin zur Parametereinstellung unterdimensionierte Werte herangezogen, die sich negativ auf Entwicklungszeiten und- kosten auswirken.
Weitere, interessante und kaum untersuchte Effekte bezüglich der Fließeigenschaften ergaben sich durch den Einfluss von Additiven und Füllstoffen. Es konnte bei bestimmten Kunststoffen durch den Einsatz physikalischer Treibmittelkonzentration eine Viskositätsreduktion des Ausgangsmaterials von bis zu 10 Prozent ermittelt werden.
Auch wurde untersucht inwieweit sich eine Temperaturerhöhung durch Schererwärmung beim Durchströmen der Messkanäle auf die Messwerte auswirkt. Diese Korrektur wird bei Standarduntersuchungen der Viskositätsfunktion üblicherweise nicht durchgeführt, ist jedoch für die Simulation der Formfüllung und eine Werkzeugauslegung bedeutend. Phänomene, die durch scherinduzierte Temperaturveränderungen Ungleichgewichte in der Schmelze hervorrufen, können nun erfasst und zur Analyse sowie Entwicklung herangezogen werden.
Durch Übertragung dieser Größen in die Simulationsdatenbanken, können die Formfüllprozesse realitätsnaher wiedergegeben und zur Senkung der Entwicklungszeiten und- kosten bei der Formteil- sowie Werkzeugkonstruktion herangezogen werden. Insbesondere in der Projektplanungsphase und für Machbarkeitsstudien sind für die Simulation schnell verfügbare und verlässliche Viskositätsdaten erforderlich. Da diese vor allem bei Entwicklungstypen vom Rohstoffhersteller oftmals nicht zur Verfügung gestellt werden, ist es uns wichtig diese Lücke zu schließen und den kleinen und mittleren Unternehmen die unter praxisnahen Bedingungen ermittelten Daten bereitzustellen.

Zielgruppe und Zielmarkt

Die Einführung der Spritzgießrheometer in die betreffenden Zielmärkte wie Spritzgießverarbeiter, Formteilentwickler, Material- oder Additiventwickler, Entwickler u. Anwender von Simulationssoftware oder Maschinenhersteller wird das KUZ als Brancheninstitut der kunststoffverarbeitenden Industrie in den Neuen Bundesländern übernehmen. Durch die Präsenz des KUZ in der Region ergeben sich kurze Wege zu den ansässigen Spritzgießbetrieben, wodurch auf Basis einer direkten Kommunikation eine schnelle Markteinführung ermöglicht wird.
Bereits bei Rezepturentwicklungen kann mit Hilfe der Spritzgießrheometer der Einfluss verschiedener Additiv- oder Füllstoffbestandteile untersucht und eine Prüfung hinsichtlich der Verarbeitbarkeit durchgeführt werden. Zusammensetzungen und die gezielte Einstellung der Fließfähigkeit können besser an die Anforderungen angepasst werden.
Durch den direkten Einsatz der Spritzgießrheometer im Verarbeitungsprozess kann der Maschineneinfluss (Plastifizierung, Friktion, Verweilzeit) und mit der Gegendruckmethode auch der Einfluss von Fließwiderständen (Werkzeug) auf die Fließfähigkeit der Kunststoffe ermittelt werden.
Infolge der Ermittlung der praxisnahen Fließfähigkeit lassen sich Simulationsdatenbanken erweitern und für eine realitätsnahe Spritzgießsimulation nutzen. Die Entwicklung neuer Formteile und Werkzeuge kann zuverlässiger und kostengünstiger erfolgen und Fehler lassen sich bereits im Vorfeld vermeiden und hohe Ausschussquoten reduzieren.
Durch prozessbegleitende Qualitätskontrolle kann bei auftretenden Unregelmäßigkeiten im Verarbeitungsprozess sofort eingriffen und Qualitätsmängel am Endprodukt vermieden werden.
Durch die Verbesserung der Effizienz von Qualitätskontrollen und der Abfallverminderung beispielsweise beim Materialwechsel können Unternehmen ihren wirtschaftlichen Erfolg ausbauen.
Vorteile der entwickelten SG-Rheometer gegenüber am Markt vorhandener Rheometer-Systeme sind:
- die praxisnahe Ermittlung qualitätsbestimmender, rheologischer Kennwerte unter Gegendruck
- die parallele Erwärmung des Rheometers bei laufender Produktion infolge integrierter Heizkomponenten
- die Reduzierung des umbautechnischen Aufwandes zur Inbetriebnahme der SG-Rheometer
- die Kompatibilität der Messgeräte mit verschiedenen Spritzgießmaschinen
- die einfache Handhabung durch die Messwerterfassungs- und Auswertungstools
- die geringeren Anschaffungs- und Personalkosten im Vergleich zu konventionellen Laborprüfgeräten und
- die hohe Flexibilität bezüglich der Einsatzmöglichkeiten der Messmodule durch Kompatibilität zu verschiedenen Maschinengrößen.
Für den Technologietransfer werden die Projektergebnisse gegenüber Rohstoffherstellern, Spritzgießverarbeitern, Compoundeuren, anderen Instituten und interessierenden Firmen vorgestellt. Dies beinhaltet zudem Vorführungen der Messmodule, Erarbeitung von Präsentationsmaterial zu Prinzipien, Vorteilen und Nutzen. Dazu werden u.a. Industriearbeitskreise und die Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit des KUZ genutzt und weitere Interessenten gewonnen. Als zusätzliche Transferunterstützung dienen:
- Publikationen in Fachzeitschriften
- Veröffentlichungen des Forschungsthemas und der Ergebnisse im Internet über die Homepage des KUZ
- Beiträge im KUZ-Newsletter,
- Werbung sowie Messepräsentationen (zum Beispiel „Fakuma“ und „K“) durch Erarbeitung eines Produktblattes und
- die Aufnahme dieser Thematik in den Produkt- und Leistungskatalog des KUZ.
Bisher wurden die folgenden Veröffentlichungen getätigt:
- Tagungsbeitrag zum Forum Spritzgießen 2017 „Additive und Spritzgießprozess: Wechselspiel von Eigenschaften und Verarbeitung“ am 21.03.2017 in Leipzig
- Vorstellung des Projektes bei der Mitgliederversammlung der Fördergemeinschaft
- Jährlich wiederkehrende Vorstellung zum Firmenseminar von Anton Paar ‚Workshop zu Rheologie und thermischer Analyse von Polymeren‘ (28.-29.11.2018/27.-28.11.2019) in Leipzig.
Der Technologietransfer ist zunächst auf die klein- und mittelständischen kunststoffverarbeitenden Unternehmen ausgerichtet. Die Erweiterung auf größere Zulieferbetriebe, der in der Region ansässigen Automobilunternehmen wird angestrebt. Zum Beispiel:
- Porsche Leipzig GmbH
- BMW AG, Leipzig
Für das KUZ können folgende wirtschaftliche Effekte wirksam werden:
- Kostenpflichtige Know-how-Beratungen für die Industrie
- Erlöse aus Dienstleistungsaufträgen
- Erlöse aus Verkauf der SG-Rheometer
- Spezialseminare, Schulungen, Workshops
- Stärkung des KUZ als technologisches Kompetenz- und Weiterbildungszentrum
- Erweiterung des Know-hows im Bereich Qualitätssicherung Spritzgießen und Simulation
- Stärkere Vernetzung durch neue Kontakte und Partnerschaften in der kunststoffverarbeitenden Industrie
- Zunahme der Dienstleistungen durch erweitertes Leistungsangebot im Verarbeitungs- und Prüfbereich
- Profit durch Kooperation vom Wissen der Open-Source-Gemeinschaft.