Ziel der Entwicklung

Logo: Links: Künstlich erzeugte Lochfraßkorrosion auf einem gereinigten Magnesiumblech der Legierung MnE21; Rechts: Verringerte Lochfraßkorrosion auf einem neuartig beschichteten Magnesiumblech
Links: Künstlich erzeugte Lochfraßkorrosion auf einem gereinigten Magnesiumblech der Legierung MnE21; Rechts: Verringerte Lochfraßkorrosion auf einem neuartig beschichteten Magnesiumblech

In der heutigen Zeit bestimmen zunehmend Klimaschutz und die Forderung nach einem umwelt- und energieschonenden Umgang mit Ressourcen das gesellschaftliche und politische Handeln. Als eine der Schlüsseltechnologien zur Umsetzung dieser herausfordernden Ziele wird der Leichtbau benannt. Dieser bedient sich einerseits der konstruktiven Einsparung von Materialien und andererseits der Massereduzierung durch Verwendung besonders leichter Werkstoffe. Für letzteres ist das Leichtmetall Magnesium mit einer Dichte von 1,74 g/cm3 prädestiniert. Weitere vorteilhafte Eigenschaften wie die hohe spezifische Festigkeit, eine hohe Zerspanungsfähigkeit und damit verbunden eine leichte Bearbeitbarkeit, ein sehr gutes Dämpfungs- sowie ein großes elektromagnetisches Abschirmungsvermögen etablieren das zunehmende Interesse an Magnesium als ernstzunehmendes Konstruktionsmetall. Demgegenüber steht die hohe Reaktivität und Korrosionsneigung von Magnesium infolge seines geringen Standardpotentials von – 2,38 V. Außerdem lässt sich das Metall, bedingt durch seine kubische Kristallstruktur, nur aufwendig verformen und bildet keine schützende Passivierungsschicht, wie sie bei Aluminium zu finden ist. Daher ist für die Verwendung von Magnesium als modernen Konstruktionswerkstoff ein beständiges Korrosionsschutzkonzept notwendig. Gegenstand des beantragten Forschungsvorhabens war die Entwicklung einer neuartigen Beschichtung zur gezielten Verbesserung des Korrosionsschutzes von Magnesiumlegierungen. Als eine gegenüber dem Stand der Technik verbesserte Lösung werden hierfür die neuen Technologien der chemischen Gasphasenabscheidung unter Atmosphärendruck betrachtet. Dabei werden entsprechende Precursoren entweder in ein Plasma oder in eine Flamme eingespeist und nach erfolgter Umsetzung als Barriere- und Kompositschichten auf dem Substrat abgeschieden. Die resultierende Schutzwirkung beruht auf der Abschirmung des Grundsubstrats von der Umgebungsatmosphäre sowie der darin enthaltenen Luftfeuchtigkeit und von weiteren Fremdmetallen, die eine Lokalkorrosion forcieren würden. Die zusätzliche Ausstattung der Schichtmatrix mit korrosionshemmenden Elementen wie Cer soll den aktiven Korrosionsschutz fördern. Besonderer Vorteil dieser CVD-Verfahren unter Atmosphärendruck ist zum einen der Verzicht auf aufwendige Vakuumtechnik im Anlagenbau und nasschemische Tauchbecken mit daraus resultierenden Altchemikalien und Sondermüllabfällen. Zum anderen ist diese Technologie nicht auf die Verwendung gesundheitsschädlicher Chemikalien, wie beispielsweise Chrom(VI)-Verbindungen bei der zuvor angewandten Chromatierung, angewiesen. Als bisher wenig verbreitete Beschichtungsverfahren stellen damit sowohl das Plasma-gestützte als auch das Flammen-gestützte CVD-Verfahren eine umweltschonende und kostengünstige Alternative für den Korrosionsschutz dar.

Vorteile und Lösungen

Stetig steigende Anforderungen an Werkstoffe und Bauteile machen die Weiterverarbeitung und Veredelung von Metallerzeugnissen unabdingbar. So erhalten viele Materialien und Produkte erst durch Verfahren der Oberflächentechnik ihre wünschenswerten oder/und notwendigen Eigenschaften, wie Korrosionsbeständigkeit, Verschleißfestigkeit, elektrische und thermische Eigenschaften oder antimikrobielle Funktion, die für die jeweiligen Einsatzgebiete essentiell sind. Besonders für das Leichtmetall Magnesium, das mit seinem niedrigen Standardpotential und seiner großen Reaktivität eine hohe Korrosionsneigung aufweist, ist die Aufbringung einer resistenten und spezifisch angepassten Korrosionsschutzschicht erforderlich. Kommerziell erhältliche Beschichtungsverfahren für Magnesium konzentrierten sich in der Vergangenheit auf die nasschemisch durchgeführte Chromatierung, bei der mittels gesundheitsschädlicher Chrom(VI)-Chemikalien eine beständige Chromatschicht auf dem Substrat gebildet wurde. Die besondere Eigenschaft der passivierenden Konversionsschicht war, dass bei Defekten der Oberfläche eingelagerte Chrom(VI)-Kationen mit Magnesium schwerlösliche Verbindungen eingingen und durch deren Ablagerung eine Reparatur der Beschädigung herbeiführten. Allerdings weisen Verbindungen dieser Stoffklasse aufgrund ihrer Giftigkeit sowie ihrer krebserzeugenden und erbgutverändernden Wirkung ein hohes Gefährdungspotential für Umwelt und Organismen auf, sodass im Zuge der REACH-Verordnung heutige Technologien absolute Chrom(VI)-Freiheit erfordern. Als neue Technologie zur Erzeugung von Korrosionsschutzschichten auf Magnesium eignen sich die Verfahren der chemischen Gasphasenabscheidung unter Atmosphärendruck. Dabei werden Vorläuferverbindungen, sogenannte Precursors, in einem Plasma umgesetzt und auf der Substratoberfläche abgeschieden. Als Plasma werden hier Teilchengemische verstanden, die sich aus dissoziierten Bestandteilen wie Ionen und Elektronen sowie freien Radikalen, atomaren und molekularen Spezies zusammensetzen. In der Plasmatechnik können solche Plasmen zum Beispiel mit Hilfe von Düsen oder dielektrischen Barriereentladungen gezündet werden. Sie zeichnen sich durch geringe Reaktions- und Prozesstemperaturen aus. Bei der Flammenpyrolyse handelt es sich vorzugsweise um die oxidierende Zone einer Propangasflamme, die bei Temperaturen von 1600 – 1800 °C die Bildung freier Radikale fördert. Beide Verfahren sind durch Prozessbedingungen bei Normaldruck gekennzeichnet, sodass eine wartungsintensive und teure Vakuum-/Anlagentechnik entfällt. Außerdem ist keine zusätzliche Erwärmung des Magnesiumsubstrats für eine thermische Schichtbildung notwendig. Damit erfüllen sowohl die Plasma-gestützte chemische Gasphasenabscheidung (APP-CVD) als auch die Flammenpyrolyse (CCVD) die Kriterien eines umweltschonenden und kostengünstigen Beschichtungsverfahrens, das ohne gesundheitsschädliche Chemikalien auskommt. Die gesamte Prozesskette zur Herstellung der Korrosionsschutzschichten auf Magnesium umfasst drei Verfahrensschritte, die sich aus der Reinigung der Oberfläche, einer spezifisch angepassten Vorbehandlung und der Beschichtung mittels APP-CVD oder CCVD zusammensetzen. Optional können derartig geschützte Oberflächen lackiert werden, um optischen Ansprüchen zu genügen oder die Korrosionsschutzwirkung weiter zu maximieren. Die ersten Verfahrensschritte werden entsprechend kommerzieller Vorbilder mit nasschemischen Methoden in Tauchbecken ausgeführt, wobei die Oberfläche erst von organischen und anorganische Verunreinigungen befreit und anschließend aktiviert wird. Neben angepassten Beizbädern kann hier auch mit Konversionslösungen gearbeitet werden, um einen optimalen Untergrund für die nachfolgende Beschichtung zu schaffen. Die Schichtbildung bei den CVD-Verfahren basiert auf der Umsetzung von siliciumorganischen Verbindungen in einer der Reaktionszonen (APP-CVD: Plasma; CCVD: Flamme). Weiterführend kann in die dabei resultierende SiOx-Matrix Cer eingelagert werden beziehungsweise in Form einer Co-Abscheidung eine SiOx-Cer-Kompositschicht erzeugt werden. Elektrochemische Korrosionsmessungen belegen die Wirksamkeit der so erzielten neuartigen Schichtsysteme.

Zielgruppe und Zielmarkt

Die Oberflächen- und Beschichtungstechnologie gilt als wesentliche Querschnittstechnologie, die die unterschiedlichen Branchen verknüpft und nahezu alle Wertschöpfungsketten einer Produktlinie begleitet. Der als „Oberflächenveredelung und Wärmebehandlung“ (WZ 25.61) bezeichnete Wirtschaftszweig erwirtschaftete noch im Jahr 2017 einen Gesamtumsatz von 8,3 Mrd. €. Pandemie- und krisenbedingt musste allerdings bereits 2019 ein Umsatzrückgang auf 8 Mrd. € hingenommen werden. Dies entspricht einer Verringerung von 6,5 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und ist damit noch etwas schlechter als die gesamtkonjunkturelle Lage der Wirtschaft im Allgemeinen mit 3,4 %. Innerhalb der Eurozone sank der Auslandsumsatz der Branche sogar um 14,2 %. Ausschlaggebend für den Rückgang waren vor allem die Auswirkungen der Pandemie auf die wichtigsten Abnehmerbranchen wie die Automobilindustrie. Die Branche der Oberflächentechnik ist auch weiterhin mittelständisch mit einem überwiegenden Anteil kleiner und mittelständischer Unternehmen geprägt. So werden im Jahr 2020 allein in Deutschland 1018 Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitern gezählt. Die genaue Benennung des Marktvolumens kann daher nur geschätzt werden. Generell wird der Gesamtheit der Betriebe, die zum Wirtschaftszweig „Herstellung von Metallerzeugnissen“ gehören und dem auch die Oberflächenveredelung zugeordnet wird, eine zu erwartende Umsatzsteigerung von 155,7 Mrd. € (2021) auf 197 Mrd. € im Jahr 2024 prognostiziert. Technologien der Oberflächenveredelung werden den verschiedenen Verfahren zur Aufbringung metallischer Überzüge, nichtmetallischer Überzüge sowie anderer Veredelungen aufgelistet. Am ehesten lassen sich die im Forschungsvorhaben verwendeten APP-CVD- und CCVD-Beschichtungsverfahren dem Bereich der Hochvakuumverfahren, die sowohl PVD- als auch CVD-Technologien beinhalten, zuordnen. Dieser Bereich wies vor ein paar Jahren noch einen Anteil von 5 % auf, liegt aktuell aber nur noch bei circa 4 %. Das entspricht einem Anteil von 2,3 % der in der Oberflächenveredelung tätigen Unternehmen. Aufgrund der Verwendung atmosphärischer Plasmen gehören die im Projekt eingesetzten Beschichtungsverfahren aber eigentlich nicht zu den Vakuumprozessen, sondern nehmen eine Außenseiterrolle ein. Infolge der gestiegenen Anforderungen zum Beispiel im Transportsektor vor allem unter Berücksichtigung bestehender Klimaziele und der Sensibilisierung für einen energie- und ressourcenschonenden Umgang mit Roh- und Kraftstoffen, bleibt die Nachfrage nach Magnesium als leichtes Strukturmetall zum Ersatz von beispielsweise schweren Stahlkomponenten ungebrochen hoch. Neben den Bereichen des Maschinenbaus und der Luft- und Raumfahrt ist vor allem die Automobilbranche eine der treibenden Kräfte bei der Entwicklung von Magnesiumbauteilen. Das hier liegende Innovationspotential liegt auch in ihren stetig steigenden Zahlen begründet. Lag der Umsatz im Jahr 2017 noch bei 425 Mrd. €, so wird inzwischen eine Umsatzsteigerung auf 605,6 Mrd. € für das Jahr 2025 vorausgesagt. Weitere Zielmärkte zur Anwendung von Magnesiumbauteilen finden sich in der optischen Industrie, in der Elektro- und in der Elektronikindustrie sowie in der Verpackungsindustrie.