Ziel der Entwicklung

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Flammhemmend ausgerüstetes Spritzgussteil für den Automobilinnenbereich

Polyamide haben eine hohe wirtschaftliche Bedeutung: Weltweit wurden im Jahr 2015 etwa 7,3 Millionen Tonnen Polyamid hergestellt. Etwa 3,9 Millionen Tonnen des Polyamids wurden zu Fasern versponnen, 3,4 Millionen Tonnen wurden als Formmassen für den Spritzguss und die Extrusion eingesetzt. Damit machen Polyamide der Masse nach etwa ein Drittel der weltweit produzierten technischen Kunststoffe aus. Der überwiegende Anteil des Polyamids entfällt auf die zwei Typen PA 66 und PA 6, während andere Typen (PA 12, PA 46, PA 610, PA 612) für speziellere Anwendungen genutzt werden.
Aufgrund ihres Eigenschaftsprofis finden Formteile aus Polyamid vielseitig Anwendung. Im Maschinenbau vielfältige Kunststoffkleinteile, zum Beispiel Gehäuse, Getriebe, Gleitführungen, Laufrollen und Armaturen, aus ihnen gefertigt. Im Bauwesen wird Polyamid für Sitzschalen (beispielsweise in Stadien) und für diverse Befestigungselemente (zum Beispiel Dübel) genutzt. In der Elektrotechnik und Elektronik haben Polyamide ein breites Einsatzspektrum als isolierende Bauelemente, beispielsweise als Gehäuse, Leistungsschutzschalter, Stecker, Reihenklemmen oder Mantelmaterial. Ein wichtiges Einsatzgebiet finden Polyamide im Automobilbau, wo sie zunehmend schwerere und teurere Metallteile ersetzen. Es werden Motorbauteile (Motorabdeckung, Ölwanne), Teile mit Kraftstoffkontakt (Kraftstoffleitungen, Ansaugsysteme) und Druckluftsysteme (Fahrwerk, Bremsen) aus Polyamiden gefertigt.
Für einige Anwendungen ist es aus Sicherheitsgründen zwingend erforderlich, Polyamide flammwidrig auszurüsten. Dies trifft für Anwendungen im Bauwesen zu, zum Beispiel für die Festbestuhlung in Stadien. Auch im Elektronik-Sektor sind viele Anwendungen nur mit brandwidrig ausgerüsteten Polyamiden denkbar.
Ziel des Projektes war es deshalb, zwei Flammschutzmittel für Polyamide weiterzuentwickeln und zur Marktreife zu führen. Die genannten Flammschutzmittel wirken auf Grundlage von Phosphor und Stickstoff und sollen besonders von deren synergistischer Wirkung profitieren. Die Wirkstoffe sind polymerer Natur und frei von Halogenen.
Die flammwidrig ausgerüsteten Polyamide sollten sich durch ihre Unbrennbarkeit von unausgerüstetem Polyamid unterscheiden. Zur Bewertung sollte das Entzündungsverhalten durch eine Flamme und durch einen glühenden Draht, die Brandgeschwindigkeit, die damit verbundene Wärme- und Gasentwicklung sowie die Verlöschbarkeit herangezogen werden.
Die mechanischen Eigenschaften des ausgerüsteten Polymers sollten sich möglichst wenig von denen des unausgerüsteten Polymers unterscheiden.
Im Hinblick auf Anwendungen in der Elektrotechnik sollen auch die elektrischen sowie thermischen Eigenschaften der ausgerüsteten Produkte untersucht werden. Angestrebt werden also unter anderem eine geringe Verfärbungsneigung bei erhöhten Temperaturen und eine geringe Wärmealterung.

Vorteile und Lösungen

Das IKTR hat im Rahmen der Erschließung zukunftsträchtiger Technologiefelder zwei neue phosphor- und stickstoffhaltige, halogenfreie und polymere Flammschutzmittel entwickelt. Beide Flammschutzmittel können in wenigen Schritten aus kostengünstigen und großtechnisch verwendeten Ausgangsstoffen hergestellt werden. Die pulverförmigen Feststoffe sind thermisch bis etwa 350 Grad Celsius stabil. In vorausgehenden Untersuchungen wurden beide Stoffe bereits in technische Kunststoffe (Polyester) eingearbeitet und auf ihre Wirksamkeit überprüft.
Der technische Lösungsansatz beinhaltete alle Arbeiten, die zur Überführung der Entwicklung aus dem Labor an den Markt notwendig waren.
Im Rahmen der beantragten Entwicklungstätigkeit waren zunächst die Herstellungsverfahren aus dem Labormaßstab in den technischen Maßstab zu überführen. Im vorliegenden Projekt erfolgte die Maßstabsvergrößerung in zwei Schritten, die jeweils eine Verzehnfachung der Produktionsmenge zum Ziel hatte. An das erste up-scaling schloss sich die grundlegende Untersuchung der Eigenschaften der Flammschutzmittel in Polyamiden an. Dabei wurden die Probekörper mit unterschiedlichen Gehalten der Flammschutzmittel gefertigt werden. Die anschließende Untersuchung des Brandverhaltens bildete mehrere Aspekte eines realen Brandgeschehens ab: Die Entzündung (durch eine Flamme oder einen überhitzten elektrischen Leiter), die vertikale und horizontale Ausbreitung des Brandes und die Löschbarkeit. Alle Arbeiten dazu wurden im institutseigenen Brandlabor mit den entsprechenden DIN-konformen Messgeräten durchgeführt. Neben einer Verminderung der Brennbarkeit war von zentraler Bedeutung, dass die Polyamide ihre charakteristischen Gebrauchseigenschaften behielten. Entsprechende Untersuchungen des mechanischen, elektrischen und thermischen Verhaltens waren Teil der Arbeiten.
Nach Abschluss der grundlegenden Untersuchungen wurde der zweite scale-up-Schritt durchgeführt, im Rahmen dessen Produktionsmengen erreicht wurden, die die Verarbeitung am Extruder zu Masterbatchen erlaubten. An die Entwicklung schloss sich die Fertigung von Proben mit unterschiedlichen Gehalten der Flammschutzmittel an. Auch für diese Proben wurden Brandprüfungen und mechanische Tests durchgeführt.
Um die Marktakzeptanz zu erhöhen, wurden abschließend Masterbatche aus der entwickelten Rezeptur hergestellt und an Spritzgussanlagen getestet. Problematische Einzelaspekte, wie etwa Verfärbungen, verändertes Verhalten in der Schmelze oder die verminderte Temperaturstabilität, konnten durch Verwendung literaturbekannter Additive behoben werden.
Ein Vergleich mit marktüblichen Flammschutzmitteln zeigte, dass die Entwicklung nach Abschluss dieser Arbeiten ein marktreifes Produkt hervorgebracht hatte. Um die Marktakzeptanz zu erhöhen wurden verarbeitungsfertige Masterbatches hergestellt, der in einem abschließenden Arbeitspaket unter produktionsnahen Bedingungen zu Funktionsteilen verarbeitet wurde.

Zielgruppe und Zielmarkt

Viele halogenfreie Flammschutzmittel auf Phosphor-Basis kommen aus dem high performance-Bereich, etwa die von der Clariant vertriebenen Metallphosphinate. Die entwickelten Verbindungen sind ebenfalls dem Bereich der high performers zuzurechnen. Dem Antragsteller liegen Angebote vor, nach denen die Materialkosten für zirka 12 bis 15 US-Dollar pro Kilogramm betragen. Kosten für Hilfschemikalien fallen nur in geringer Menge an.
Das Entwicklungsprodukt hat nicht die spezifischen Nachteile niedermolekularer Flammschutzadditive; Das heißt, es migriert nicht, es kommt zu keiner ungewollten Freisetzung und zu keinem Verlust der Flammschutzwirkung. Neben der positiven Flammschutzwirkung bleiben die positiven Werkstoffeigenschaften des Polyamids erhalten.
Das Entwicklungsprodukte kann auf individuelle Bedürfnisse angepasst werden.