Ziel der Entwicklung

Logo: Optische Oberflächenkontrolle zur Qualitätssicherung für kleine Losgrößen mit kooperierenden Robotern; © GFaI
Optische Oberflächenkontrolle zur Qualitätssicherung für kleine Losgrößen mit kooperierenden Robotern; © GFaI

In nahezu allen Bereichen der automatisierten industriellen Fertigung werden heutzutage Roboter als automatische Manipulatoren eingesetzt. Gründe hierfür sind Kostendruck und alle damit zusammenhängenden Anforderungen sowie Qualitätsaspekte (Fehlerminimierung, Genauigkeitssteigerung etc.). Prinzipiell ist aber auch heute noch in vielen robotergestützten Produktionsabläufen Stand der Technik, dass die beteiligten Robotersysteme durch Spezialisten programmiert werden müssen. Dies geschieht entweder durch Teach-in direkt an der Anlage, wodurch die Produktion unterbrochen werden muss, oder unter Verwendung s. g. Offline-Programmiersysteme in denen die Roboter in einer zumeist roboterzentrierten Simulationsumgebung programmiert werden. Die Möglichkeit durch die Anwendung festgelegter Regime für die Roboteranlage zusätzliche Nebenbedingungen (Energieoptimalität, minimale Bearbeitungszeit, Vermeidung von Singularitäten etc.) zu berücksichtigen, also nach Bedarf z. B. zeitoptimal, kostenoptimiert oder mit minimalem Verschleiß der Fertigungsmaschinen zu produzieren, ist bei entsprechend programmierten Anlagen typischerweise nicht anzutreffen.
Bereiche, die trotzdem heute noch von manuellen Montagetätigkeiten dominiert werden und in denen keine oder nur sehr selten Roboter eingesetzt werden, sind allgemein die Fertigung kleiner Losgrößen, bei denen der hohe Einrichtungsaufwand den effizienten Einsatz von Robotern schnell verhindert. Dabei besteht gerade für hochspezialisierte KMU ein großes Potenzial für eine Kostenreduktion und Effizienzsteigerung durch den effizienten Einsatz von Robotertechnologie.
Im Vordergrund stehen bei diesem Einsatz von Robotertechnologie Fertigungs- und Inspektionsaufgaben, bei denen komplexe kooperative Handlungsfolgen gleichzeitig und gemeinsam aufeinander abgestimmt ausgeführt werden müssen, z. B. Aufgaben mit Hand-Auge-Koordination. Solche Tätigkeiten sind für einen Menschen meist verhältnismäßig leicht erlernbar und können ohne aufwändiges Training ausgeführt werden. Ein Robotersystem hingegen mit mehreren Manipulatoren in die Lage zu versetzen diese Tätigkeit auszuführen, ist eine Herausforderung. Hierbei besteht das Problem aber weniger in der prinzipiellen Ausführbarkeit der Tätigkeiten oder der Synchronisation mehrerer Roboter, sondern in der automatischen Erzeugung entsprechender kooperativer Bewegungsprogramme. Die automatische Lösung einer Arbeitsaufgabe durch mehrere Roboter gilt als allgemein nicht gelöst, auch wenn Abb. 1 eines der immer wieder bemühten Beispiele für eine Kooperation zweier Roboter zeigt, in diesem Fall durch Teach-in entstanden. Einer der Gründe hierfür ist das Fehlen entsprechender Beschreibungsmechanismen für kooperativ durch mehrere Roboter zu lösende Aufgaben. Für andere Bereiche und Gebiete ist das bereits im Großen und Ganzen und teilweise sehr elegant gelöst.
Ein Beispiel für kooperative Handlungsfolgen, bei denen mehrere Manipulatoren synchronisiert agieren ist z. B. das Spielen von Streichinstrumenten. Die Beschreibung erfolgt abstrakt als Noten oder Partitur und wird automatisch in Aktionen einer Greifhand, die die Töne greift und die Bewegung der Bogenhand, die den Bogen führt, umgesetzt.
Da für die Robotik aber solche universellen, geschlossenen Beschreibungsformen für kooperativ zu lösende Aufgaben fehlen, ist es kaum möglich, automatisch synchronisierte, kooperative Roboterprogramme abzuleiten, obgleich der Bedarf signifikant und gerade im Kontext von In-dustrie 4.0 von entscheidender Bedeutung ist.
Die vollständig automatische Generierung von Roboterprogrammen ist nach wie vor auf wenige, eng begrenzte Gebiete beschränkt. Ein Großteil der Roboterprogramme wird zwar durch komplexe und mächtige Offline-Programmiersysteme erzeugt, müssen aber allgemein in der Linie durch Teach-in angepasst werden (z. B. Automobilindustrie). Die Gründe hierfür sind die unvermeidbaren Abweichungen der realen Roboterzelle von der am Rechner konstruierten bzw. geplanten Anlage. Bereiche in denen heute vollständig automatisch generierte Roboter-programme Anwendung finden ist z. B. der 3D-Druck.

Vorteile und Lösungen

Ausgehend von einer abstrakten, geschlossenen Beschreibungsform für Kooperationsaufgaben, wurde zunächst die Relation aller beteiligten Werkzeuge und Werkstücke zueinander für alle Arbeitsstellungen ermittelt. Dies geschieht zunächst statisch, roboter- und anlagenunabhängig. Aus dem statischen Fall für einzelne Arbeitsstellungen, die die Lage aller beteiligten Werkzeuge und Werkstücke zueinander beschreiben, wird die dynamische Betrachtung für Trajektorien aller Werkzeuge und Werkstücke abgeleitet.
Eine aus bereits abgeschlossenen FuE-Projekten vorhandene Simulationsumgebung wurde um die simultane Verwendung von mehreren Robotern erweitert. Aufbauend auf dieser Umgebung werden automatisch aus den Arbeitsstellungen, also aus den Relationen aus Werkzeugen und Werkstücken, Roboterstellungen für alle beteiligten Roboter abgeleitet. Hierbei werden durch die Auflösung von redundanten Freiheitsgraden des kinematischen Systems zusätzlichen Nebenbedingungen, wie z. B. die Vermeidung von singulären Stellungen, modellbasiert in der Simulation berücksichtigt.
Hieraus wurde ein Konzept zur Synchronisation der einzelnen Roboter untereinander abgeleitet, welches zur Kollisionsprüfung und -vermeidung in der Simulation eingesetzt wird und aus dem dann auch die physikalische Synchronisation der Roboter z. B. durch IO-Signale abgeleitet werden.
Abschließend werden automatisch die Roboterprogramme mit allen Synchronisierungsbefehlen für alle beteiligten Roboter erzeugt. Dabei erfolgt die Roboterprogrammgenerierung für alle unterstützten Robotertypen automatisch und enthält neben den Bewegungsbefehlen auch alle für die Synchronisation der Bewegungen notwendigen Befehle.

Zielgruppe und Zielmarkt

Ziel dieses Forschungsvorhabens war es, die Vorteile von Lösungen in der Produktion und Qualitätssicherung durch kooperierende Roboter zu untersuchen und für KMU zugänglich zu machen, um die Produktqualität zu erhöhen und Kosten zu senken und damit die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
Die wissenschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung der Ergebnisse liegt dabei vor allem darin, dass die Kooperation von Mehrfach-Kinematiken jenseits von Strategien des Typs „Erkennen, Bewerten, Reagieren, Ausweichen, Weitermachen“ erarbeitet und in einem Demonstrationssystem mit einer typischen bildverarbeitenden Aufgabe zusammengeführt wird. Dies betrifft vor allem komplexe Arbeitsaufgaben, die bislang nicht oder nur teilweise in Einzelkinematiken und ggf. sogar noch mittels „Teach-in“ für zu erreichende Posen zeitaufwändig gelöst wurden. Weiterhin entstehen intelligente Steuerungsstrategien, die multikinematische kooperative Systeme ermöglichen. Hierbei werden Redundanzen genutzt, um potenziell kollidierende Bahnen der einzelnen Kinematiken im Prozess aufzulösen und zusätzliche Optimalitätskriterien (z. B. Verschleißminimierung) zu berücksichtigen.
Es eröffnen sich eine Reihe neuer industrieller Anwendungsszenarien in der Prozessautomatisierung, z. B. in der noch immer oft anzutreffenden vollständig manuell / visuellen Bauteilprüfung. Gerade die antiquiert wirkende manuell/visuelle Bauteilprüfung bricht oft den hochautomatisierten Prozesstakt auf bzw. es können nicht alle gefertigten Teile geprüft werden.
Darüber hinaus werden die Kenntnisse der Antragstellerin auf diesem Gebiet deutlich vertieft, die eine verstärkte Publikationstätigkeit nach sich ziehen wird.