Ziel der Entwicklung

Logo: Fertig prozessierter Active-Edge-Wafer. Zu erkennen sind die Gräben, welche um alle Strukturen laufen -  © CiS Forschungsinstitut
Fertig prozessierter Active-Edge-Wafer. Zu erkennen sind die Gräben, welche um alle Strukturen laufen - © CiS Forschungsinstitut

Bei dem Forschungsgebiet der Hochenergiephysik (HEP), Astrophysik und den medizinischen bildgebenden Verfahren müssen größere Flächen eines Detektorsystems mit strahlungssensitiven Detektoren bestückt werden. Da diese Detektoren in Größe und in Form Beschränkungen unterliegen, ist es unumgänglich, die großen Flächen aus mehreren Detektormodulen zusammenzusetzen. Technologisch bedingt besitzen diese inaktive Randbereiche, welche zur Detektion nicht beitragen können. Die Randbereiche müssen bei der Planung des Gesamtdetektors berücksichtigt werden. Werden die Detektormodule trotz inaktiven Randes nebeneinander positioniert, besitzt der Detektor nichtsensitive Bereiche. Ist der Anteil von inaktiver Fläche an der gesamten Detektormodulfläche zu groß, müssen die Detektormodule überlappend angeordnet werden. Dies bringt mehrere Nachteile mit sich. Besonders gilt dies für die innersten Detektorlagen im Bereich von zirka zwei bis zehn Zentimeter radialen Abstand zum Kollisionspunkt, die für eine verbesserte Spurrekonstruktion gebraucht werden. Aufgrund des sehr geringen Bauraumes ergibt sich keine Möglichkeit, die Module überlappend einzubauen.
Anders als bei CMOS-Chips wird bei Detektoren der gesamte Siliziumkörper -oder zumindest große Bereiche- genutzt, also die freien Ladungsträger müssen durch Anlegen einer äußeren elektrischen Spannung aus diesem Bereich verdrängt werden. Wenn die Verarmungszone jedoch den Chiprand erreicht, steigt der Dunkelstrom aufgrund der Störungen sehr stark an. Deshalb werden Maßnahmen ergriffen, um das Feld von diesen abzuschirmen.
Häufig werden deshalb im inaktiven Randbereich der Silizium-Sensoren implantierte Guard-Ringe platziert, welche das Potential der Versorgungsspannung schrittweise bis zum Null-Potential abbauen. Hinzu kommt ein Sicherheitsabstand zur Schnittkante, da es dort bei konventionellen Sägemethoden zu größeren mechanischen Ausbrüchen kommen kann. Diese mechanischen Defekte können aktive Strukturen schädigen, wenn diese zu nah an der Schnittkante platziert sind.
Mit Hilfe eines neuen technisch-technologischen Ansatzes wurde der inaktive Randbereich der Sensoren auf ein Minimum reduziert.
Wichtiges Entwicklungsergebnis dabei ist, dass trotz des reduzierten inaktiven Chiprandes die Funktionsfähigkeit, besonders die Spannungsfestigkeit bis zu sehr hohen BIAS-Spannungen, entsprechend der neuen Anforderungen seitens der zukünftigen Hoch-Energie-Physik-Experimente auch für extrem hohe Bestrahlungen gewährleistet bleibt.

Vorteile und Lösungen

Zur Lösung der erwähnten Anforderungen wurden drei verschiedene technologische Ansätze verfolgt sowie deren Vor- und Nachteile ermittelt. Zur Separation der Strukturen wurde ein Deep Reactive Ion Etching (DRIE) Prozess verwendet, um senkrechte Gräben zu erzeugen. Die Seitenwände wurden mittels drei verschiedener Varianten dotiert: a) 4-Quadranten-Ionenimplantation b) Plasma-Immersions-Ionenimplantation c) Dotierung aus der Gasphase basierend auf Bortribromid (BBr3). Mit Hilfe der so erreichten Dotierung erweitert sich der Rückseitenkontakt bis über die Seitenwände, wodurch diese aktiv werden (Active Edges) und nicht mehr zu einem Anstieg des Leckstroms wie bei konventionellen Sensoren beitragen.
Die Funktionalität der entwickelten Active-Edge-Sensoren wurde nachgewiesen. Es zeigte sich, dass mit Hilfe dieser Technologie inaktive Abstände bis zu 50 Mikrometer machbar sind, ohne dass ein signifikanter Einbruch bei der Ausbeute auftritt. Damit sind nicht-überlappende Anordnungen der Sensoren im Detektorsystem ohne nennenswerte Einbußen bei der Hermitizität möglich.
Die Dotierung der Seitenwände mittels BBr3 aus der Gasphase zeigte bei der Auswertung der Sensoren mittels elektrischer Charakterisierung Vorteile. Der Prozess ist im Vergleich zur konventionellen Ionenimplantation äußerst kostengünstig (Größenordnung Faktor 2…8 pro Batch). Zudem werden nur relativ geringe Grabenbreiten benötigt, wodurch mehr Platz auf dem Wafer verfügbar ist.
Somit bieten diese entwickelten Active-Edge-Sensoren verbesserte Flächenausnutzung und Kosteneinsparungen bei der Herstellung.

Zielgruppe und Zielmarkt

Derartige Active-Edge-Strahlungsdetektoren finden in vielen Bereichen der Grundlagenforschung und der bildgebenden Verfahren Anwendung. Im Bereich der Hochenergiephysik sind die laufenden und zukünftigen Experimente am LHC am CERN zu nennen. Besonders für die inneren Detektorlagen mit wenig Platz bietet die Active-Edge-Technologie entscheidende Vorteile, da ein Überlapp der Sensoren zum Ausgleich breiter nichtsensitiver Chiprandbereiche nicht mehr notwendig ist. Dieser Vorteil ist ebenfalls entscheidend in der Medizintechnik bei der oft größere Detektorflächen aus einzelnen Sensoren in einer Matrix angeordnet werden müssen. Auch hier ist ein Überlapp der Sensoren nicht gewünscht und macht Active-Edge-Sensoren attraktiv.
Darüber hinaus wurden durch die technologische Entwicklung viele Erkenntnisse gewonnen. Mit der systematischen Erbprobung und Analyse der Dotierungsmethoden von senkrechten Seitenwänden konnten die tchnologischen Möglichkeiten zur 3D-Integration verschiedenster sensorische Elemente auf nicht-planaren Oberfläche erweitert werden
Die erreichte technisch-technologische Lösung kann bei der Entwicklung von Sensorchip für unterschiedliche Applikationen genutzt werden, wodurch zahlreiche Marktfelder angesprochen werden können: Experimente der Schwerionenphysik und Synchrotronstrahlungsexperimente; Weltraumforschung/ Astronomie, Klimaforschung; Materialanalyse als zerstörungsfreie Untersuchung; Labortechnik wie Analyse von Proben, Tracern; Sicherheitstechnik wie Personen-Dosimeter, Personen- und Frachtkontrolle; Umweltschutz im Bereich Reaktorsicherheit (Kernkraftwerke); Industrieautomation (Industrie4.0/ SmartFabrication); Smarte Landwirtschaft (intelligente, autarke Feldbearbeitung). Die entwickelte technologische Plattform wird in Verbindung mit anderen Angeboten zur Entwicklung und Fertigung von unterschiedlichsten segmentierten Sensoren sowohl Großforschungseinrichtungen und deren Kollaborationen als auch industriellen Interessenten, besonders KMU und Start-ups angeboten. Das Portfolio umfasst dabei die vollständige Kette von der Simulation und Design, Fertigung von Sensorwafern, Verbindung von Chips mit verschiedenen Funktionen, Aufbau und Häusung von Modulen bis zum Test und zur Charakterisierung der Sensoren.
Die B2B-Vermarktung dieser technologischen Lösung und des Entwicklungsangebots stützt sich auf Präsentationen auf Messen, besonders Hannover Messe Industrie, Sensor und Test, electronica, compamed und weiteren fachspezifischen Messen, Workshops mit Bezug zu Imaging und Strahlungsdetektoren, Firmenpräsentationen sowie Nutzung von Social Media.