Ziel der Entwicklung

Dieses Forschungsvorhaben hatte das Ziel, die verhaltensbasierte Diagnose verteilter Kommunikationssysteme zu unterstützen und von Anwendern erstellte Regelwerke zu integrieren. Beispiele für eine mögliche Anwendung sind Ethernet-Netzwerke, in denen wenige Speicherprogrammierbaren Steuerungen mit vielen Feldgeräten (mit Sensoren und Aktoren) kommunizieren oder Drahtlose Intelligente Verkehrssysteme (ITS), in denen Verkehrsteilnehmer untereinander und mit Infrastrukturen wie Ampeln kommunizieren.
Das Projekt zielte auf die Herausforderung ab, Fehler in solch komplexen Kommunikationssystemen möglichst einfach finden zu können. Oft geschieht die Suche nach Fehlern mit vielen manuellen Arbeitsschritten, darunter dem manuellen Auswerten von Datenpaketen über Monitoring-Werkzeuge durch Anwender mit Expertenwissen. Für REDI4.0 bot es sich an, dieses Wissen in einem Diagnosewerkzeug zu hinterlegen und die Fehlersuche zumindest in Teilen zu automatisieren.
Dafür wurde eine allgemeine Notation für Diagnoseziele entwickelt, die vor allem verhaltensbasierte Diagnoseregeln beschreiben kann. Auf Basis der entwickelten Notation wurde ein Konzept für eine performante und ressourcenarme Diagnose-Engine aufgestellt. Die Lösung ist für Kommunikationssysteme und Applikationen im laufenden Betrieb geeignet und wurde prototypisch für Demonstrationszwecke als Software umgesetzt.
Die Projektergebnisse sind prinzipiell auf verschiedene Systeme und Domänen übertragbar. Im Projekt wurden mit Ethernet-basierter Industriekommunikation über PROFINET sowie mit V2X über IEEE 802.11p zwei konkrete Anwendungsdomänen ausgesucht und an Demonstratoren evaluiert.

Folgende Vorteile werden sich für spätere Praxisanwendungen auf Basis der Projektresultate versprochen:
Eine Automatisierung und gleichzeitige Prüfung von Vorgaben bzw. Regeln verkürzt die Dauer der Diagnose und senkt dementsprechend Wartungskosten.
Eine Automatisierung ermöglicht eine höhere Diagnoseabdeckung gegenüber manuellen Prüfungen und erreicht eine höhere Fehleridentifikationsrate.
Beschreibungen von Diagnoseregeln werden vereinheitlicht und formalisiert und sind so besser zu warten, übertragbar und auswertbar.
Eine performante und ressourcenarme Diagnose-Engine ermöglicht die parallele bzw. gleichzeitige Verarbeitung eines Regelwerks, womit die steigenden Anforderungen an Diagnosen verteilter Systeme beherrscht werden können.

Vorteile und Lösungen

Im Projekt REDI4.0 wurde nach einer geeigneten Möglichkeit gesucht, Expertenwissen maschinenlesbar hinterlegen zu können. Hiermit sollen Vorgaben über Kommunikationsabläufe automatisch gegen mitgeschnittene Datenpakete eines Kommunikationsmediums geprüft werden, um eventuelle Fehler aufzudecken. Diese zwei Kernziele wurden folgendermaßen gelöst:

Für das Hinterlegen von Expertenwissen wurde festgestellt, dass zwar viele Notationsmethoden existieren (für Tests, Anforderungen etc.), diese für Anwender aber eine Lernhürde darstellen. Durch zu viele Möglichkeiten werden sie zu komplex. Daher wurde eine möglichst einfache Methode gewählt, die sich speziell auf nachrichtenbasierte Kommunikation in Rechnernetzen konzentriert. Dies reduziert den Sprachaufwand erheblich. Es wurde eine textuelle Grammatik entwickelt, die sich an den Möglichkeiten von UML Sequenzdiagrammen orientiert: Eine Nachricht wird von einem Sender versendet und ggf. von einem Empfänger empfangen. Eine Ordnung von Kommunikationsabläufen erfolgt über grundlegende Konstrukte wie Schleifen und Parallelen. Die Beschreibung eines Kommunikationsablaufes (Gut- oder Fehlerfall) wird in REDI4.0 als Regel bezeichnet.

Der zweite Kern vom Projekt war die Fragestellung, wie sich gleich mehrere Regeln gegen live erfasste Datenpakete abgleichen lassen, um sofort Regelverletzungen aufzeigen zu können. Dies bietet einen Zeitvorteil gegenüber dem manuellen Monitoring im Nachgang. In Anlehnung an Methoden des Modellbasierten Tests wurden die Regeln in interne Modelle überführt, die zur Laufzeit ausgeführt werden, um jederzeit Diagnoseurteile fällen zu können. Als Modellform wurden Petrinetze (hier einfache Stellen-Transitionen-Netze) gewählt. Sie haben den Vorteil, über Marken auf beliebig vielen Stellen verteilte Zustände modellieren zu können. Dies ist vor allem für die parallel gültigen Regeln von Vorteil. Z. B. könnte ein Gerät zu zwei weiteren Geräten eine Verbindung (wie z. B. bei PROFINET üblich) aufbauen. Über die REDI4.0-Modelle lassen sich beide Verbindungsaufbauten parallel und automatisiert nachverfolgen.
Zur Laufzeit wird für jedes mitgeschnittene Datenpaket geprüft, ob es die Marken im Netz weiterbewegen lässt. Wird eine Regel nicht erfüllt (aufgrund ausbleibender Nachrichten oder falscher Parameter), so wird eine Marke auf eine Fehlerstelle bewegt und der Anwender informiert, welcher weitere Schritte einleiten kann.

Bei Modellbasierten Tests existiert das Problem der Zustandsexplosion: Für ein komplexes System lassen sich aus einem Modell schnell unzählige Testfälle ableiten, die nicht alle ausgeführt werden können. In REDI4.0 werden mit den Regeln und Petrinetze jedoch keine Systeme, sondern bereits ausgewählte Sollverhalten modelliert. Aus diesen müssen keine Test- bzw. Diagnosefälle mehr abgeleitet werden, was die Diagnose-Ausführung übersichtlich und performant gestaltet.

Zielgruppe und Zielmarkt

Im Projekt wurden mit Ethernet-basierter Industriekommunikation über PROFINET und V2X über IEEE 802.11p zwei konkrete Anwendungsdomänen ausgesucht und an Demonstratoren umgesetzt. Auch geschah eine Evaluierung an realen Projekten externer Anwender. Dazu zählt die Unterstützung bei Tests eines PROFINET-Stacks sowie eines kommunalen V2X-Systems zur Bevorrechtigung von ÖPNV-Fahrzeugen an Lichtsignalanlagen.

In Zukunft lassen sich die Ergebnisse von REDI4.0 durch kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) in vielfältiger Weise anwenden. Die erste Möglichkeit ist die Nutzung der Methoden zur Erstellung eigener Diagnosewerkzeuge, um das Produktportfolio zu erweitern. Der Technologietransfer kann durch Kooperation mit dem ifak geschehen, beispielsweise durch gemeinsame Forschungsprojekte oder direkte Industrieaufträge. Auch ist eine Lizenzierung der entwickelten Software oder Teilen davon an KMU möglich, wie es beispielsweise für das ifak-eigene Simulationswerkzeug Simba# angeboten wird.

Die zweite Möglichkeit ist die Schaffung oder Erweiterung von Dienstleistungen zur Qualitätssicherung durch die neuen Diagnosemöglichkeiten. Es entstehen derzeit immer mehr V2X-Testfelder, für die die Kommunen nach geeigneten Test- und Diagnosewerkzeugen suchen. In Gesprächen mit Vertretern von Kommunen und Industrie (z. B. im Forschungsprojekt DIAKO des ifak) kam zutage, dass hier noch viele Wünsche offen sind. Es werden durch die öffentliche Hand V2X-Stationen fest (RSUs) oder beweglich in ÖPNV-Fahrzeugen (OBUs) installiert. Es besteht oftmals keine Kenntnis darüber, ob die Geräte wirklich durchgängig Nachrichten versenden und damit ihre Dienste bereitstellen. Hier können KMU ansetzen und entsprechende Dienstleistungen anbieten, vor allem im Rahmen der Inbetriebnahme, Wartung und Fehlersuche. Das ifak hat hier bereits Erfahrung gesammelt und steht für einen offenen Austausch oder den Know-how-Transfer in Form von Schulungen bereit.