Ziel der Entwicklung

Logo: Auswirkung ionisierte Luft auf die Kultivierung von S. cerevisiae © Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin (VLB) e.V.
Auswirkung ionisierte Luft auf die Kultivierung von S. cerevisiae © Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin (VLB) e.V.

Bereits Paracelsus ging davon aus, dass geringe Mengen einer giftigen oder schädlichen Substanz eine positive Wirkung auf einen Organismus haben können. Dieser als Hormesis bezeichnete Effekt konnte tatsächlich in unterschiedlichen Lebensbereichen nachgewiesen werden. Ein prägnantes Beispiel ist die dosisabhängige Wirkungsumkehrung von manchen Arzneimitteln.
Auch ionisierter Luft werden solche hormetischen Effekte nachgesagt. So wurde bereits postuliert, dass die Luftionen einen positiven Effekt auf den Hefestoffwechsel haben sollen. Besonders wird vermutet, dass eine Belüftung mit ionisierter Luft eine erhöhte Stressresistenz der Hefen zur Folge hat. Eine weitergehende Untersuchung dieser Annahmen wurde bisher nicht durchgeführt.
In diesem Forschungsprojekt sollte überprüft werden, ob sich die hormetischen Effekte der ioniserten Luft auf die Fermentationsprozesse in der Brauerei und anderen artverwandten biotechnologischen Prozessen übertragen lassen. Dabei sollte überprüft werden, ob eine Belüftung mit ionisierter Luft während der Hefepropagation einerseits die Gärleistung und anderseits den Zustand der Hefepopulation verbessert. Im Speziellen sollte der Einfluss auf die Bildung von Glykogen und Trehalose aufgezeigt werden. Die Konzentrationsänderung dieser Kohlenhydrate gilt als Maß für die Veränderung der Widerstandsfähigkeit der Hefezelle gegenüber osmotischen Stress.
Im Fokus der biotechnologischen Fragestellungen standen hauptsächlich der Einfluss einer Ionisation auf die Milchsäurefermentation, die Bildung von Glutathion durch Hefen als auch die Kultivierung und Sporenbildung von Bacillus subtilis.

Vorteile und Lösungen

Es wurde eine Ionisationsanlage in die Umwälzleitung eines Hefepropagators und in einen Bypass eines Fermentationssystems integriert. Die Variation von Spannung, Frequenz und Wirkungsgrad war stufenlos möglich.
Vorversuche im Labormaßstab mit untergäriger Hefe zeigten eine positive Wirkung der ionisierten Luft bei einer Hochspannung von 2000 - 3000 Volt.
Die Versuchsreihen zur Propagation wurden mit untergärigen und obergärigen Hefestämmen bei gleicher Spannung durchgeführt. Dabei wurde während der Zellvermehrung die Hefepopulation mit ionisierter Luft beaufschlagt. Anschließend wurden Vollwürzen (Stammwürze 11,5 Prozent) und High-Gravity-Brewing (HGB)-Würzen mit dem jeweiligen Hefesatz vergoren. Die positive Wirkung aus den Vorversuchen konnte bei diesen Versuchen nur partiell bestätigt werden. Bei mehrmaliger Wiederholung kam es bei allen untersuchten Hefestämmen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Dabei konnten grundsätzlich drei verschiedene Szenarien beobachtet werden: tendenziell gesteigerte Vitalität und dadurch verkürzte Gärzeit um einen Tag, vergleichbare Vitalität und gleiche Gärzeit und vergleichbare Vitalität, aber längere Gärzeit und/oder sogar vorzeitige Flockulierung („steckenbleiben“).
Ein Effekt der ionisierten Luft auf die Zellmembran der Hefezellen war zwar damit offensichtlich, die Resultate waren jedoch sehr unterschiedlich. Sie reichten von gesteigerter Vitalität bis zur Veränderung des Flockulationsverhaltens. Die durchflusszytometrische Vitalitätsmessung wurde im Rahmen des Forschungsvorhabens am Institut aufgebaut. Die durchflusszytometrische Analyse von Trehalose und Glycogen in Hefe konnte im Berichtszeitraum nicht vollständig etabliert werden.
Sowohl bei den Fermentationen der Milchsäurebakterien, als auch bei der Glutathionbildung der Hefe konnte keine fördernde bzw. positive Beeinflussung durch den Eintrag von ionisierter Luft erreicht werden. Alle Fermentationen konnten durch die während des Projektes etablierte flowzytometrische Analytik (zum Beispiel zur Beurteilung der Viabilität, Vitalität und verschiedenster Stressfaktoren) umfassend begleitet werden. Bei der Untersuchung zur Auswirkung von Ionisation auf Bacillus subtilis konnten durch sukzessive Anpassung der Ionisationseinstellungen (Zeit, Spannung, Frequenz, Wirkungsgrad) sowohl eindeutig letale als auch NOEL-nahe Bedingungen (höchste Dosis, bei der keine negativen Effekte beobachtet werden) ermittelt werden. Dies ermöglichte es, gezielt Einfluss auf die Fermentation und die Sporenbildung der Kultur zu nehmen. Durch die Ionisation konnte eine erheblich höhere Sporenausbeute im Vergleich zu bisherigen Fermentationen erreicht werden.

Zielgruppe und Zielmarkt

Im Rahmen des Forschungsprojekts konnte bei der Bacillus-Fermentation durch den Einsatz von ionisierter Luft eine verstärkte Sporenbildung induziert werden. Diese Sporensuspension mit einheitlichen Resistenzeigenschaften kann als Bioindikator sowohl bei den Herstellern von Reinigungsmitteln, als auch bei den entsprechenden Anwendern als aussagekräftiges und verlässliches Beurteilungskriterium für Desinfektionsmittel und -maßnahmen genutzt werden.
Eine verkürzte Fermentationsdauer in der Brauerei ohne Qualitätseinbußen beim Produkt ist in der Praxis von großer Bedeutung. Kapazitätserhöhung und Energieeinsparungen wären die Folge. Jedoch aufgrund der doch sehr widersprüchlichen Ergebnisse trotz vieler Wiederholungen kann dieses Verfahren noch nicht in die Praxis umgesetzt werden. Hierzu bedarf es noch viele Optimierungsmaßnahmen und Untersuchungen.
Das generierte Wissen zur Wirkung von ionisierter Luft in den Gäransätzen, sowie das erweiterte Wissen zu möglichen hormetischen Effekten auf unterschiedlichste Mikroorganismen und Fermentationsprozesse wird daher in weiteren Vorhaben der VLB genutzt. Einige Inhalte des Projektes wurden bereits in Artikeln und Vorträgen veröffentlicht. Dabei wurden die zahlreichen Kanäle der VLB Berlin im In- und Ausland genutzt, um entsprechende Informationen bzw. Ergebnisse zu transferieren. Die Vorhabenergebnisse werden auch in Zukunft durch die der VLB gegebenen Möglichkeiten des Technologietransfers publiziert. Beispielhaft sind hier Seminare, Fachartikel, Beratungstätigkeiten und universitäre Lehrstühle zu nennen.