Ziel der Entwicklung

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Faserverstärkte Kunststoffe (FVK) erfahren seit mehr als zehn Jahren in den Branchen wie Flugzeug- und Automobilindustrie oder auch im Maschinenbau mehr und mehr Beliebtheit. Der Hauptvorteil liegt im Vergleich zu klassischen metallischen Werkstoffen in den höheren spezifischen Eigenschaften, wodurch sie aus gewichtstechnischen Gründen auch für Strukturbauteile eine attraktive Alternative darstellen. Innere Schäden sind in diesen Materialien hingegen nur schwer oder gar nicht detektierbar und können zu einem abrupten, kollateralen Globalversagen führen. Daher werden Verbundstrukturen in der Regel mit hohen Sicherheitsfaktoren belegt die dem allgemeinen Leichtbaugedanken wiedersprechen. Dies führt für einige Anwendungen zum Ausschlusskriterium, da durch die Anwendung von Verbundmaterialien im Vergleich zu konventionellen metallischen Werkstoffen kein signifikanter Gewichtsvorteil mit einhergeht und das Kosten Nutzen Verhältnis durch beispielsweise kostenintensive Wartungsintervalle nicht gegeben ist. Sensorsysteme zur permanenten oder bedarfsgerechten Strukturüberwachung erlauben die Erfassung von kritischen Dehnungen und kleinste Schädigungen während des Betriebs über den kompletten Lebenszyklus. Insbesondere Lichtwellenleiter mit eingeschriebenen Faser-Bragg-Gittern (FBG) bieten die Möglichkeit der Integration zur Herstellung „smarter“ Faserverbundstrukturen. Neben dem hohen Miniaturisierungsgrad, Korrosionsbeständigkeit und Sensitivität, können mehrere Sensoren in einem Lichtwellenleiter untergebracht und simultan ausgewertet werden und sind immun gegenüber elektromagnetischen Störungen. Durch den hohen Steifigkeitssprung zwischen der Faserverbundstruktur und dem Austrittspunkt bilden sie die Schwachstelle im System und es kommt in den meisten Fällen an diesen Stellen schon während der Fertigung der FVK-Struktur zu einem Bruch der Sensorfaser und damit zum Ausfall des gesamten Messsystems. Es existieren zwar vereinzelte Lösungsansätze zur Gestaltung der Ein- und Austrittspunkte, diese fragilen Gebilde sind aber eher für Laboranwendungen geeignet und nicht für den Einsatz in der Industrie. Darüber hinaus werden eingebettete faseroptische Messsysteme bzw. die Sensorfasern derzeit lediglich per Hand auf das Faserhalbzeug abgelegt und können sich während des Fertigungsprozesses mehr oder weniger frei bewegen, was wiederum zu Positionsungenauigkeiten führen kann. Die Reproduzierbarkeit der Ablage von Sensorfasernetzwerken und die Integration in mehrlagige, dreidimensionale Flächengebilde ist jedoch ein entscheidender Faktor für industrielle Anwendungen. Um den Gedanken des Leichtbaus und der Ressourcenschonung weiter fortzuführen und die bisher eingesetzten hohen Sicherheitsfaktoren zu reduzieren, ist es unabdingbar permanent überwachte Strukturen in sicherheitsrelevanten Bereichen einzusetzen. Doch erst nach der Lösung der dargelegten Problemstellungen bezüglich der Ein- und Austrittspunkte und der reproduzierbaren Faserablage von Sensornetzwerken in komplexen Flächengebilden ist es möglich diese Technologie zuverlässig und flächendeckend einzusetzen. Da das Sensorsystem grundsätzlich einen Fremdkörper in der Struktur darstellt und sich bei bestimmten Ausrichtungen im Laminat ein Harzauge ausbildet, wurde weiterhin der Einfluss der Sensorfaser auf die mechanischen Eigenschaften der Struktur charakterisiert.

Vorteile und Lösungen

Zur Gestaltung der Ein- und Austrittspunkte und Widerstandsfähigkeit gegenüber äußeren Einflüssen wurde die Steckverbindung direkt in das Laminat integriert. Dabei wurde sich auf Standardsteckverbindungen, wie sie in der klassischen Lichtwellenleitertechnik Einsatz finden fokussiert. Der 3D-Druck bietet dabei die Möglichkeit jeden beliebigen Standardstecker anwendungs- und faserverbundgerecht zu gestalten, sodass der Einfluss der Verbindung auf die mechanischen Eigenschaften im Laminat auf ein Minimum reduziert werden kann. Grundlegend besteht das Konzept aus zwei Teilen. Einer faserverbungerechten Hülse, die fest mit einem Steckerende welches im Laminat sitzt verbunden ist und einer lösbaren Kappe, die während des Fertigungsprozesses auf dem Verbindungselement verbleibt und das Eindringen von Matrixwerkstoff in das Innere des Steckers verhindert. Durch mehrere Versuchsreichen konnte das Verfahren unter anderem im Prepreg-Autoklav, Resin-Transfer-Moulding, Nasslaminat Pressprozess und Wickelverfahren erfolgreich validiert werden.
Zur Fixierung der Sensorfaser auf dem Textilhalbzeug erbrachte die Anwendung von einem Bindervlies die vielversprechendsten Ergebnisse. Die Sensorfaser wird dabei mit einer CNC hergestellten Schablone und einem Heizstempel auf den trockenen Fasermatten positionsgenau fixiert. Im Falle von Prepregs ist die Fixierung mittels des Heizstempels nicht notwendig, da die Klebrigkeit des vorkonsolidierten Halbzeugs ausreichend ist. Der Verlauf des Sensornetzwerks kann dabei unter der Bedingung des minimalen Biegeradius von 20 mm völlig frei gestaltet werden. Daraus resultierend ist grundsätzlich jede beliebige Ausrichtung der Sensoren im Bauteil möglich. Mit Hilfe von computertomographischen Untersuchungen eines im RTM Prozess hergestellten Bauteils, bei dem mit Injektionsdrücken bis zu 10 bar gearbeitet wird, wurde die Positionierbarkeit der Sensorfaser mit dem beschriebenen Verfahren erfolgreich demonstriert.
Des Weiteren konnte in mehreren experimentellen Standardversuchen, wie 3-Punkt-Biege-, Druck- und Querzugversuche und Untersuchungen zur Interlaminaren Scherfestigkeit nachgewiesen werden, dass die eingebettete Sensorfaser keinen signifikanten Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften des Laminats aufweist. Dabei wurden bei den Versuchsreihen verschiedene Lagenaufbauten (unidirektional und quasiisotrop) und unterschiedliche Winkelausrichtungen der Sensorfaser im Laminat berücksichtigt. Zur Validierung der Ergebnisse und zum Aufbau eines umfassenden Verständnisses der wirkenden Mechanismen wurden ergänzend nummerische Simulationen der Versuchsreihen durchgeführt. Sobald der Lichtwellenleiter in einem Winkel zur Faserrichtung orientiert wird und sich daraus resultierend ein Harzauge ausbildet, ist ein lokaler Einfluss im Bereich der Sensorfaser bei Druckbeanspruchung zu beobachten. Die die Sensorfaser mit ihrem umschließenden Reinharzbereich wirkt an dieser Stelle wie eine Fehlstelle, welche Ondulationen um diese hervorruft. Unter bestimmten Voraussetzungen kann dies zu einer Abminderung der Druckfestigkeit von 25 % führen. Dieses Phänomen tritt in der Realität jedoch auf ein komplettes Bauteil gesehen in den seltensten Fällen ein und kann damit vernachlässigt werden.
Aufbauend auf den Ergebnissen der durchgeführten Untersuchungen wurde ein Dreieckslenker als Demonstratorbauteil im RTM-Verfahren gefertigt. Abschließende Vergleichsmessungen mit Dehnmessstreifen erbrachten eine gute Übereinstimmung mit den integrierten Faser-Bragg-Gitter Sensoren.
Durch die Integration einer Strukturüberwachung kann der Leichtbaugedanke durch die gezielte Reduktion von Sicherheitsfaktoren auf eine neue Ebene gehoben werden. Damit gehen gelichermaßen eine Reihe von Sekundäreffekten
einher, die maßgeblich zum Abbau der CO2-Emmision beitragen. Darüber hinaus ist von einer signifikanten Senkung der Lebenszykluskosten aufgrund bedarfsgerechter Wartungsintervalle und der Erhöhung der Bauteillebensdauer auszugehen, wodurch sie Komponenten ohne Structural-Health-Monitoring (SHM) Systemen trotz der erhöhten Fertigungskosten in der Gesamtbilanz deutlich überlegen sind.

Zielgruppe und Zielmarkt

Die Zielmärkte für die Ergebnisse des durchgeführten Forschungsprojektes sind breit gefächert und umfassen alle Branchen in denen eine Überwachung von Faserverbundstrukturen notwendig ist. Neben klassischen Anwendungen der Automobil- und Flugzeugindustrie ist an dieser Stelle unter anderem der Schienenfahrzeug-, Maschinen- und Schiffsbau, die Chemieindustrie und die Medizin- und Messtechnik als potentieller Interessentenkreis zu nennen. Für die Verwertung kommen daher alle Firmen in Frage bei denen Strukturbauteile aus faserverstärkten Kunststoffen im Einsatz sind, die besonderen Sicherheitsanforderungen bedürfen. Die entwickelte Technologie lässt die Sensorintegration an nahezu jedem Bauteil und Fertigungsverfahren zu. Die Integration der Sensorik und der Anschlussstellen kann dabei individuell und fasergerecht auf das zu überwachende Bauteil angepasst werden. Innere Schäden können somit frühzeitig detektiert und lokalisiert und entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Dies führt zur Durchführung von bedarfsgerechten Wartungsintervallen, die die Lebenszykluskosten deutlich senken werden. Aufgrund der permanenten Strukturüberwachung können die Sicherheitsfaktoren minimiert werden. Die Gewichtseinsparung ist insbesondere in Mobilitätsanwendungen ein entscheidender Faktor, da somit beispielsweise die Nutzlast oder die Reichweite gesteigert werden kann. Diese Faktoren führen zu einem Wettbewerbsvorteil, da sie klassisch aufgebauten Komponenten deutlich überlegen sind.
Der Transfer der Projektergebnisse erfolgt zum einen über weitere Forschungsvorhaben in Kooperationsprojekten mit Industrieunternehmen und zum anderen mit direkten Entwicklungsaufträgen aus der Industrie. Insbesondere im Schienenfahrzeugbau besteht derzeitig ein großes Interesse an strukturüberwachten Komponenten, da Faserverbundkunststoffe in diesem Industriezweig erst seit einigen Jahren im Einsatz sind und das Vertrauen in den Werkstoff noch nicht vollständig gegeben ist. In diesem Zusammenhang wird derzeitig am Institut in einem
Forschungsvorhaben ein Drehgestell eines Schienenfahrzeugs gefertigt und mit mehr als 100 Sensoren ausgestattet. Des Weiteren wurden bereits Sensorfasern zur Strukturüberwachung in lasttragende Komponenten aus dem Schienenfahrzeugbau im Rahmen eines Entwicklungsauftrags integriert und ausgewertet. Ein weiteres großes Anwendungsfeld besteht in der Überwachung von Druckbehältern. Auch in diesem Fall wurden eine Reihe an Demonstratoren hergestellt, die die Prinziptauglichkeit nachweisen. Vornehmlich im Bereich der Wasserstoffspeicherung erscheint die Strukturüberwachung als zielführend, da an dieser Stelle in der Regel sehr hohen Sicherheitsfaktoren zum Schutz von Mensch und Umwelt zum Einsatz kommen. Der Austausch mit diversen Industrieunternehmen bestätigt diese Aussage und das Institut treibt aktuell die Entwicklung in mehreren Forschungsvorhaben weiter voran.
Aufgrund der durchgeführten Arbeiten, konnten bereits erste wirtschaftliche Effekte erzielt werden. Das KVB erwartet aufgrund des Potentials der innovativen Technologie eine weiterführende Umsatzsteigerung im Bereich der Strukturüberwachung in den nächsten 5 Jahren. Daraus folgt eine Stabilisierung der vorhandenen Arbeitsplätze und den Bedarf an neuen Arbeitsplätzten im Bereich FuE sowie weiteren Arbeitsplätzen im Bereich der technischen Mitarbeiter.
Durch repräsentative Referenzkomponenten ist zu erwarten, dass der Einsatz der Strukturüberwachung einem allgemeinen Effekt auf die Leichtbaubranche hat und viele Unternehmen zum Umdenken in Bezug auf überhöhte Sicherheitsfaktoren bewegt. Daraus resultierend können zukünftig weitere Anwendungsfelder und Geschäftsfelder für Unternehmen aus den verschiedensten Branchen erschlossen werden.