Ziel der Entwicklung

Logo: Biofilmaufzucht © Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin (VLB) e.V.
Biofilmaufzucht © Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin (VLB) e.V.

Biofilme gelten als eine der erfolgreichsten und bestbewährtesten Lebensformen überhaupt. Sie setzen sich aus Wasser, Mikroorganismen und von ihnen ausgeschiedene, extrazelluläre polymere Substanzen (EPS) zusammen. Der Biofilm bietet den Zellen als Lebensraum viele Vorteile gegenüber einer Lebensweise als Einzelzelle. Neben dem Schutz vor äußeren Einflüssen, die die Gelmatrix bietet, werden in ihr auch Wasser und Nährstoffe zurückgehalten, die gegebenenfalls durch ausgeschiedene Exoenzyme gespalten und nutzbar gemacht werden. Verschiedene Arten von Mikroorganismen leben in einem Biofilm synergistisch zusammen, so schaffen beispielsweise Aerobier durch Sauerstoffverbrauch anaerobe Habitate, die von Anaerobiern bewohnt werden können.
Biofilme sind weit verbreitet. Sie finden sich in der Natur fast überall, selbst technische Anlagen stellen oft ein geeignetes Biotop dar. In vielen Bereichen tritt bei Biofilmbildung – neben hygienischen Aspekten – das Problem der Biokorrosion (auch genannt MIC - microbially influenced corrosion oder mikrobiell beeinflusste Korrosion) auf. Durch das Anheften von Mikroorganismen und deren Vergesellschaftung werden die elektrochemischen und chemischen Bedingungen an der Grenzfläche zwischen Metall und wässrigem Medium verändert. Es kann zu lokalen Korrosionserscheinungen kommen.
In der Produktion von Getränken, beziehungsweise deren Abfüllung blieb das Phänomen dieser mikrobiologischen Korrosion bisher weitestgehend unerforscht. Dabei kommen in diesem Bereich vermehrt ungewollte Biofilme vor. Durch eine potenzielle Biokorrosion könnte es in Abfüllanlagen, neben der Materialzerstörung, auch zu einer Erhöhung der Oberflächenrauigkeit kommen. Folgen wären eine Verschlechterung der Reinigbarkeit der Anlage und damit eine erhöhte Kontaminationsgefahr der abgefüllten Getränke.
Aufgrunddessen beschäftigte sich dieses Forschungsprojekt mit der Biokorrosion bei Biofilmen in Abfüllanlagen. Dabei sollten folgende Fragestellungen beantwortet werden:
Beurteilung der generellen Gefahr von mikrobiologisch beeinflusster Korrosion in der Getränkeabfüllung unter Berücksichtigung aller dort herrschenden Bedingungen, einschließlich Materialien und Mikroflora.
Untersuchung, ob Oberflächen, die zuvor (mikroskopisch) mikrobiell angegriffen wurden, eine erneute Besiedelung durch Biofilme begünstigen (zum Beispiel durch Erhöhung der Rauheit).
Beurteilung des Einflusses des Standorts der Abfülllinie, beziehungsweise der dort produzierten Getränke auf MIC.
Beurteilung verschiedener Materialen (Edelstahlsorte, Oberflächenbehandlung) hinsichtlich ihres Verhaltens gegenüber getränkeabfüllrelevanter Biokorrosion.
Beurteilung von beobachteten mikrobiologischen Korrosionsphänomenen unter Berücksichtigung der dazugehörigen Mikroflora sowie chemisch/ physikalischen Untersuchungen, um Rückschlüsse auf den jeweiligen Korrosionsmechanismus zuzulassen.
Im Fokus der Forschungsarbeiten standen dabei vor allem die Entwicklung und Etablierung von Methoden, die unter den Punkten 1 bis 5 zusammengefassten Fragestellungen zu beantworten.

Vorteile und Lösungen

Ausgehend von einer bereits erforschten Methode zur substrat- und umgebungsspezifischen Biofilmaufzucht in Getränkeabfüllanlagen wurden hochlegierte Edelstahloberflächen mit Biofilmen bewachsen und anschließend auf Korrosionserscheinungen überprüft. Dazu wurden Parameter wie Materialabtrag und Veränderungen der Oberflächenbeschaffenheit – insbesondere der Rauheit – analysiert. Mittels Rasterelektronenmikroskopie wurden topografische Korrosionseinflüsse untersucht und atomare Veränderungen an den Metallen mit energiedispersiver Röntgenspektroskopie (EDX) ermittelt. Begleitend wurde die Mikroflora des Biofilms mit modernen molekularbiologischen Methoden (Next-Generation-Sequencing) bestimmt, wobei eine besondere Beachtung Mikroorganismen galt, die möglicherweise Korrosionsprozesse fördern. Ebenso sollten korrosionsrelevante Bestandteile in den EPS-Schichten der Biofilme ermittelt werden.
Als Ergebnisform sollten Verfahren präsentiert werden, die das Erreichen der folgenden Einzelziele ermöglichen:
Entwicklung von Methoden zur Erforschung der Gefahr durch MIC in Getränkeabfüllanlagen
Ermittlung der individuellen Biokorrosionsgefahr einer bestimmten Anlage bei Produktion bestimmter Getränke
Entwicklung von Methoden zur Prüfung der mikrobiologischen Korrosionsbeständigkeit verschiedener Materialien nach Bewuchs mit getränkerelevanten Biofilmen

Zielgruppe und Zielmarkt

Es war vorgesehen, dass die aus dem Vorhaben erhaltenen Ergebnisse wichtige Erkenntnisse liefern, die unter anderem in der technischen Betriebsberatung in Brauereien und bei Getränkeherstellern eingesetzt werden. Eine spätere Applikation der Methodik sollte wertvolle Informationen für Getränkeproduzenten beim Kauf neuer Anlagen liefern sowie von Anlagenbauern dazu genutzt werden, ihre Materialen und Oberflächen zu überprüfen, beziehungsweise Neuentwicklungen zu erforschen.
Außerdem wurden die gewonnenen Erkenntnisse in zahlreichen Artikeln und Vorträgen im In- und Ausland veröffentlicht. Auch zukünftig werden die Vorhabensergebnisse über Seminare, Fachartikel und in der universitären Ausbildung publiziert.