Ziel der Entwicklung

Logo: Pumpenteststrecke am Aufstellort im Wilfried-Rinke-Technikum der VLB Berlin © Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin (VLB) e.V.
Pumpenteststrecke am Aufstellort im Wilfried-Rinke-Technikum der VLB Berlin © Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin (VLB) e.V.

Die Filtration bildet einen elementaren Prozessschritt in der Bierherstellung. Dabei auftretende Probleme – häufig der Filtrierbarkeit des Bieres geschuldet – sind so alt wie die Bierfiltration selbst. Folgen einer mangelhaften Filtrierbarkeit können erhöhter Bierschwand, erhöhter Verbrauch an Filterhilfsmitteln, sowie ein höherer spezifischer Wasser- und Energieverbrauch sein. Es ist somit nicht verwunderlich, dass sich die Brauereiwissenschaft bereits viele Jahrzehnte mit Parametern beschäftigt, welche die Bierfiltrierbarkeit beeinflussen. Einer der Hauptfaktoren bildet das aus der Gerste stammende hochmolekulare ß-Glucan, welches insbesondere in seiner Gelform dazu in der Lage ist, Filterporen regelrecht zu verblocken.
ß-Glucane sind Polysaccharide, deren Grundbausteine, die D-Glucose-Monomere, in ß-Stellung glykosidisch verknüpft sind. Die ß-Glucane, die in Gerste vorkommen, sind zu zirka 70 Prozent durch ß-1,4- und zirka 30 Prozent durch ß-1,3-Bindungen verknüpft. Hochmolekulare ß-Glucane, die sich größtenteils in den Zellwänden des Endosperms der Gerstenkörner befinden, werden beim Mälzen nicht vollständig abgebaut. Auch während des Maischens erfolgt ein weiterer Abbau nur teilweise, was unweigerlich zur Folge hat, dass zumindest ein Teil der wasserlöslichen immer noch hochmolekularen ß-Glucane in der Würze gelöst werden. Durch die Einwirkung von Scherkräften in das entsprechende Medium Würze oder Bier wird durch eine lokaltemporäre Verkleinerung des Lösungsraumes das Zusammentreffen der ß-Glucan-Molekülstränge gefördert, was die Ausbildung von Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den regelmäßig auftretenden Cellotriose- und Cellutetraoseabschnitten begünstigt. Folglich bilden sich größere Molekülagglomerate, die sich zu dreidimensionalen Strukturen zusammenfügen und im Extremfall ein Hydrogel bilden können.
Neben Rührwerken sind als Verursacher der in den relevanten ß-Glucan-Konzentrationen für eine Gelierung notwendigen Scherkräfte Pumpen zu nennen. Pumpen sind in der Brauerei und Getränkeindustrie allgegenwärtige, notwendige Strömungsmaschinen zum Fördern und Dosieren flüssiger und pastöser Medien und bilden damit einen elementaren Anlagenteil. Sie bringen das geförderte Medium von einem niedrigen auf ein höheres Energieniveau, es werden Höhenunterschiede überwunden, der Druck im System gesteigert oder Flüssigkeiten dosiert. Bierpumpen fördern im Sudhaus die Maische und die Würze, im Gärkeller das Jungbier, übergeben das fertig gereifte Bier von den Lagertanks in den Filterkeller und fördern es schließlich über die Filtration und den Drucktankkeller zur Abfüllung. Je nach Bauart bringen die Pumpen naturgemäß mehr oder weniger Scherkräfte in das geförderte Medium ein. Dies gilt insbesondere für Kreiselpumpen.
Es ist aus den genannten Gründen nicht verwunderlich, dass eine schonende Produktförderung einen hohen Stellenwert in dem Portfolio von Pumpenherstellern hat und diese vielfach angepriesen wird. Um eine scherkraftarme Pumpenarbeit zu realisieren, existieren dementsprechend bereits eine Vielzahl an Herangehensweisen und Philosophien. Objektiv quantifizieren und bewerten ließ sich der durch die Pumpen verursachte Scherkrafteintrag in das geförderte Medium bislang jedoch nicht. An dieser Stelle setzt das Forschungsprojekt an. Es sollte ein Verfahren entwickelt werden, mit dem anhand eines brauereirelevanten Mediums die negativen Effekte der Pumpenarbeit – die eingetragenen Scherkräfte – beziffert werden können.

Vorteile und Lösungen

Das Verfahren bedient sich zwei die Gersten-ß-Glucane betreffende Tatsachen. Zunächst ist die Konzentration der gelösten hochmolekularen ß-Glucane aber auch der ß-Glucan-Gele in Würze und Bier, beziehungsweise in einer wässrigen Lösung, vergleichsweise einfach im Labor bestimmbar. Die Methoden gehören in den gängigen Methodensammlungen wie beispielsweise die der MEBAK zur Standardanalytik. Damit bildet der Anteil der Gelfraktion im jeweiligen Medium eine fassbare, direkt durch die Scherkrafteinwirkung beeinflusste Messgröße, solange andere Einflussfaktoren wie beispielsweise Temperatur und pH-Wert standardisiert werden. Um diesen Zusammenhang nutzen zu können, wird in einem eigens für das Projekt entwickelten Pumpenteststand ein ß-Glucan-haltiges Fluid mit der zu untersuchenden Pumpe im Kreislauf gefördert. Während eines Testlaufs, also während das ß-Glucan-Medium in der Teststrecke zirkuliert, können Proben gezogen und diese hinsichtlich ihres Gelanteils analysiert werden. Anhand der über die Zeit ansteigenden Proportion der ß-Glucan-Gele können dann Rückschlüsse auf das Schonförderverhalten der Pumpe gezogen werden.
Zusätzlich wird sich in dem entwickelten Verfahren der Tatsache bedient, dass eine beta-Glucan-Lösung ein newtonsches Fluid darstellt, beta-Glucan-Gel jedoch thixotrope Fließeigenschaften zeigt. Mit einem steigenden Quervernetzungsgrad der beta-Glucan-Moleküle durch zunehmenden Scherkrafteintrag – in diesem Fall die zunehmende Anzahl an Umwälzungen des Mediums in der Teststrecke – nimmt der Anteil der sich in Lösung befindlichen beta-Glucane ab, und der Anteil der beta-Glucan-Gele zu. Ab einem feststellbaren Zeitpunkt haben sich genügend beta-Glucan-Gele gebildet, um die thixotropen Fließeigenschaften überwiegen zu lassen. Ab diesem Punkt sinkt die Viskosität des beta-Glucan-Mediums in der Teststrecke, was wiederum bei unveränderter Pumpenarbeit den Volumenstrom ansteigen lässt. Als Vergleichspunkt der verschiedenen Pumpen dient schlussendlich die Anzahl an Umwälzungen des Versuchsmediums in der Teststrecke, an dem der Volumenstrom über ein vorher festgelegtes Maß ansteigt. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass es unabhängig von Probenahmeintervallen durch die in der Teststrecke verbaute Messtechnik funktioniert.
Um dem Einfluss wechselnder Rohstoffqualitäten des aus der Gerste stammenden beta-Glucans Rechnung zu tragen, wurden die getesteten Pumpen anhand einer vorher festgelegten Referenzpumpe miteinander ins Verhältnis gesetzt. Dies generiert über mehrere Berechnungsschritte die von der hydraulischen Leistung der Pumpe abhängigen Schonförderkennzahl f und die von der hydraulischen Leistung unabhängigen Schonförderkennzahl F. Beide sind schlussendlich von Bedeutung, um die Schonfördereigenschaften der getesteten Pumpen bewerten zu können.
Mit dem entwickelten Verfahren konnten vier verschiedene, auf den gleichen Betriebspunkt ausgelegte, Kreiselpumpen hinsichtlich ihrer Schonförderung beurteilt werden, wobei sich zum Teil signifikante Unterschiede auftaten. Auch ein detaillierter Vergleich zwischen Langsam- und Schnellläufer desselben Pumpenmodells konnte gezogen werden. Dieser wurde nicht nur auf dem Auslegungsbetriebspunkt, sondern auch auf davon abweichenden Betriebspunkten vorgenommen, um Aufschluss über mögliche Scherbelastung bei vom Idealfall abweichenden Einsatzbedingungen zu liefern. Die Betriebspunkte wurden zum einen über die in die Teststrecke eingebaute Drosselklappe, und zum anderen über den ebenfalls in die Teststrecke integrierten Frequenzumrichter eingestellt. Anhand der ermittelten Schonförderkennzahlen bei verschiedenen Betriebspunkten konnten exemplarisch scherkraftbezogene Pumpenkennlinien erstellt werden.

Zielgruppe und Zielmarkt

Das entwickelte Verfahren wird als Dienstleistung angeboten, die eine objektive Bewertung der schonfördernden Eigenschaften von Kreiselpumpen ermöglicht. Als potenziellen Kundenkreis werden daher im Wesentlichen die Pumpenhersteller, welche mit solchen Tests die schonenden Fördereigenschaften ihrer Pumpen prüfen und belegen könnten, gesehen. Für diesen Zielmarkt wäre die neue Dienstleistung einerseits zur Prüfung neu entwickelter Pumpentypen und deren Optimierung anwendbar, andererseits aber auch als Marketinginstrument einsetzbar.
In Deutschland gibt es etwa 400 Unternehmen, die in diesem Bereich produzieren. Davon dürften mindestens die Hälfte auch Kreiselpumpen herstellen. Der VDMA (VDMA Volkswirtschaft und Statistik: Maschinenbau in Zahl und Bild 2016) beziffert allein den Export von Flüssigkeitspumpen in 2014 auf 32 Milliarden Euro, womit Deutschland in diesem Sektor mit 16 Prozent des Welthandels auf Platz eins lag. Der weltweite Markt besitzt nach gleicher Quelle eine Größe von rund 200 Milliarden Euro.
Nicht zuletzt hilft das entwickelte Verfahren, sofern es von den Pumpenherstellern angewendet wird, auch dem Anwender in der Brauerei- und Getränkeindustrie bei Investitionsentscheidungen. Darüber hinaus können durch die Wahl der tatsächlich schonenderen Pumpe in der Brauerei erhebliche Filtrationsverluste durch das Nichtausbilden der gefürchteten ß-Glucan-Gele vermieden werden. Zur Folge hätte dies immense Einsparungen in Filterhilfsmitteln, sowie in Personal- und Reinigungskosten. An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass die Brauereilandschaft in Deutschland im Wesentlichen mittelständisch geprägt ist.
Der Transfer der FuE-Ergebnisse durch die VLB als international agierende, gemeinnützige Forschungseinrichtung beruht auf ihren fünf Pfeilern: Aus- und Weiterbildung, Dienstleistung und Analytik, Forschung und Entwicklung, Internationales Netzwerk durch eigene Organisation von Konferenzen und Tagungen und Teilnahme an Messen, Beratung.
Als Plattform zur Verbreitung der Ergebnisse des Forschungsprojekts werden im Besonderen die VLB-eigenen nationalen (Oktober- und Frühjahrstagung) und internationalen (Brewers Conference Bangkok, Iberoamerican VLB Symposium, Moskauer Brauseminar, Africa Brewing Conference) Tagungen dienen.
Im Technisch-Wissenschaftlichen Ausschuss (TWA) der VLB treffen sich regelmäßig Vertreter der VLB Berlin und ihrer Mitglieder aus Brauerei-, Getränke-, und Zulieferindustrie zum Erfahrungsaustausch unter Experten. Dabei sind auch zahlreiche KMU in den Gremien vertreten. Der TWA ist ein wesentliches Element im Informationstransfer der VLB Berlin mit und zwischen ihren Mitgliedern.
In zahlreichen nationalen und internationalen Betriebsberatungen können die Erkenntnisse zusätzlich direkt in die Brauereiprozesse implementiert werden, wodurch der Technologietransfer aus erster Hand umgesetzt werden und sich die VLB darüber hinaus fachlich bestens positionieren kann.
Ein weiteres Instrument zur Weitergabe von Wissen stellt die hauseigene Fachzeitschrift „Brauerei Forum“ dar. In Fachartikeln aller Bereiche der Getränkeindustrie werden stets Forschungsergebnisse veröffentlicht. Darüber hinaus veröffentlichen Wissenschaftler der VLB neuartige Erkenntnisse in allen für die Branche relevanten Fachzeitschriften, sowie über die eigene, mehrsprachige Internetseite.