Ziel der Entwicklung

Im Karosserie-Rohbau werden von Fahrzeugherstellern (OEM) sogenannte Zulieferteile in den Fügeprozess eingebunden. Dazu zählen Teile von Baugruppen, wie zum Beispiel Innenteile einer Motorhaube, oder auch ganze Baugruppen, wie zum Beispiel eine Seitentür. Das Vorgehen bei der Vergabe von Aufträgen durch OEMs besteht darin, dass sie ihren Zulieferern zunächst Informationen über die Fertigungsstruktur der benötigten Zulieferteile geben. Diese Informationen sind häufig in Form einer Fügefolge dokumentiert. Die Weitergabe der Fertigungsstruktur (Fügefolge) durch den OEM erfolgt dabei im Allgemeinen in Form von Office-Dokumenten, zum Beispiel als PowerPoint-Datei. Auf der Grundlage dieser Informationen erfolgt beim Zulieferer eine Grobplanung der erforderlichen Produktionsanlage, um daraus die zu erwartenden Kosten ableiten zu können. Die Grobplanung kann dabei in verschiedene Planungsschritte unterteilt werden. Die wichtigsten technischen Zielparameter davon sind die Abbildung der Fügefolge auf einzelne Prozesse, die Aufteilung der Prozesse auf Stationen unter Beachtung von Prämissen sowie die Validierung eines Grobkonzepts. Außerdem ist die Planung eines groben Fabriklayouts, des Groblayouts, als ein weiterer wichtiger Zielparameter zu nennen. Für die einzelnen Planungsschritte stehen beim Zulieferer jedoch keine geeigneten Softwaretools, die „nur“ den Konzeptplanungsprozess optimal abbilden, zur Verfügung. Als Alternative bleiben die großen monolithischen Systeme zur Feinplanung. Um aber mit Hilfe dieser Systeme eine grobe Aussage zur Planung geben zu können, sind umfangreiche Modellierungsaufgaben durchzuführen. Der dafür erforderliche Zeitaufwand ist immens hoch. Des Weiteren sind Lizenzen dieser Systeme sehr teuer und bei den Zulieferern nicht oder nur in sehr begrenztem Umfang verfügbar. Deshalb kommen derzeit für die Planung hauptsächlich Excel-Tools zum Einsatz. Die Verwendung solcher Werkzeuge hat aber immer den Nachteil, dass die Nutzung und Pflege nur einem eingeschränkten Nutzerkreis möglich ist. Des Weiteren sind Excel-Tools gegenüber Werkzeugen, die ein Anwendungsszenario speziell unterstützen, hinsichtlich der Benutzerfreundlichkeit immer im Nachteil. Sie sind nicht selbst erklärend, schlecht wartbar und stehen lediglich einem eingeschränkten Anwenderkreis, also für diejenigen, die das Tool erstellt haben oder sich intensiv darin eingearbeitet haben, zur Verfügung. In engem Zusammenhang mit dem oben beschriebenen Szenario steht das zweite Anwendungsszenario. Besonders in der frühen Planungsphase sollen unterschiedliche Anlagenstrukturen verglichen und bewertet werden. Variable Parameter sind die Vorgabeprämissen, zum Beispiel die Taktzeit und die Verfügbarkeit, und die daraus resultierende Aufteilung der Anlagen auf Zellen und das daraus resultierende Zellenlayout sowie die Realisierung der Anlage in der Fabrik, das grobe Fabriklayout. Damit verbunden sind auch erforderliche Transportwege zwischen den Zellen, die Puffer zwischen den Zellen und der Einsatz von Bedien- und Bestückungspersonal. Für das Erstellen von Varianten und deren Vergleich in Bezug auf Kenngrößen, beispielsweise die Kosten, die Produktionsrate und die Verfügbarkeit, stehen dem Planer derzeit keine geeigneten Werkzeuge zur Verfügung.

Vorteile und Lösungen

Im Forschungsprojekt wurden Verfahren zur Grobplanung entwickelt, die in einem Software-Demonstrator implementiert wurden. Der Software-Demonstrator unterteilt sich in die folgenden Bestandteile: Das Fügefolgenmodul, das Stationenmodul, das Simulationsmodul und das Groblayoutmodul. Das Fügefolgenmodul dient zum Aufbau eines Fügefolgemodells. Das Fügefolgemodell beinhaltet neben der Zusammenbaustruktur der Fügefolge in Form von einzelnen Fügeschritten auch Informationen über die in den Fügeschritten enthaltenen Fügeverfahren. Dazu zählen zum einen qualitative Informationen, wie beispielsweise die Art der verwendeten Fügeverfahren, und zum anderen quantitative Informationen, wie die Anzahl von Fügepunkten und die Länge von Fügestrecken. Die strukturellen, qualitativen und quantitativen Informationen des Fügefolgemodells bilden die Prozesssicht einer Produktionsanlage ab. Für die Erstellung eines Fabriklayouts wird zunächst die Berechnung des Stationenmodells nötig, in dem alle Fügeprozesse auf Fabrikstationen verteilt wurden. Diese Berechnung wird im Stationenmodul durch ein Optimierungsproblem beschrieben, dessen Randbedingungen variabel sind und als Produktprämissen gesetzt werden können. Um dem Anwender an dieser Stelle möglichst viel Kontrolle über die Produktprämissen und die Randbedingungen der Stationserstellung zu geben, kann das Regelwerk über interaktive Ribbons angepasst werden. Aufbauend auf den Ergebnissen vorheriger Projekte im Forschungs- und Entwicklungsbereich wurden im Folgenden algorithmische Untersuchungen zu vorhandenen Simulationsverfahren auf der Basis von hierarchischen Zustandsautomaten durchgeführt. Dazu wird für jeden Teilprozess, also für jeden Fügeprozess, jedes Eingangshandling sowie jedes Ausgangshandling, generisch ein Zustandsautomat erzeugt. Dabei ist die Anzahl der ihrem Ablaufverhalten nach verschiedenen Automaten gering, sodass die unterschiedlichen Typen von Automaten als Vorlagen in einer Bibliothek abgelegt werden können. Als Ergebnis wurde festgestellt, dass als Simulationsmodell hierarchische Zustandsautomaten sehr gut geeignet sind und das softwaretechnische Design des Simulationsmoduls umgesetzt und das Simulationsmodell implementiert. Wesentliches Ergebnis der Anlagen-Grobplanung ist ein Groblayout der Anlage, das die wichtigsten Ressourcen und deren initiale Anordnung beinhaltet. Da im Normalfall zu Beginn der Grobplanung noch keine Informationen zur konkreten Anordnung der Ressourcen vorhanden sind, muss zunächst eine initiale Anordnung mit Hilfe eines geeigneten Standardalgorithmus erzeugt werden, die dann vom Nutzer interaktiv bearbeitet werden kann. Als Ergebnis wurde hierfür ein geeignetes Groblayoutmodul entwickelt. Die Verwendung des Frameworks ForGE, das den Aufbau von Applikationen aus Modulen mit Standardschnittstellen sowie die Kapselung aller von Benutzer aufrufbaren Funktionen in parametrierbare Kommandos vorsieht, erleichterte die Bereitstellung der Funktionalität des Planungswerkzeugs zur Integration in andere Anwendungen beziehungsweise als Microservices. Eine Fremdanwendung kann damit die Module des Planungswerkzeugs laden und die bereitgestellten Funktionen im eigenen Kontext ausführen. Zudem enthält das Werkzeug einen integrierten http-Server, der es erlaubt, die Funktionsaufrufe auch über eine Web-Schnittstelle aufzurufen.

Zielgruppe und Zielmarkt

Die Automobil- und Automobilzulieferindustrie ist die wichtigste Branche in Deutschland. Im Jahr 2016 waren etwa 800.000 Personen in der deutschen Automobilindustrie beschäftigt. Während Produktionsstandorte auch in andere Länder ausgelagert werden, findet die Produktentwicklung und die Produktionsplanung überwiegend in Deutschland statt. Allein sieben OEMs haben ihren Sitz in Deutschland und entwickeln, planen und produzieren an zahlreichen Standorten in Deutschland. Darüber hinaus kommen 17 der Top 100 der größten Automobilzulieferer aus Deutschland. Im Bereich der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) sind rund 2900 Unternehmen bis zu einer Größe von 500 Mitarbeitern als Automobilzulieferer tätig. Der Zielmarkt für die Ergebnisse des Projektes kann wie folgt unterteilt werden: In die Automobilzulieferer für kleine und mittelständische Unternehmen und große Unternehmen sowie in die Automobilhersteller. Auch Universitäten und Forschungseinrichtungen stellen ein wesentliches Zielmarktsegment dar. Mit dem Abschluss des beantragten Projekts im Bereich der Forschung und Entwicklung ist der Entwicklungsstand eines Demonstrators erreicht worden, der alle Aspekte der Anforderungsspezifikation erfüllt. Darin sind bereits erste Rückmeldungen und Testergebnisse eingeflossen. Um den Markteintritt zu ermöglichen, sind jedoch noch weitere Arbeiten wie Bug Fixes, Verbesserungen der Benutzerführung und weitere Funktionen notwendig, um die Projektergebnisse in ein Produkt zu überführen. Die Vermarktung als eigenes Planungswerkzeug wird anfänglich durch die GFaI selbst übernommen. Eine Überführung der Vermarktung an eine Vertriebs- und Entwicklungsgesellschaft zur Verwertung der Projektergebnisse wird angestrebt. Für den Vertrieb der entwickelten Verfahren in Form von Microservices kann mit einem Hersteller eines Planungssystems eine Kooperation eingegangen werden. Die Verfahren werden in dessen System integriert beziehungsweise in Form von Plug-Ins als Systemerweiterung angeboten. Aufgrund der von Aktivitäten und im Bereich Digitalisierung und im Umfeld von Industrie 4.0 und insbesondere wegen der strategischen Ausrichtung des Verbands der Automobilindustrie (VDA) im Umgang mit monolithischen Planungssystemen, werden die Markteintrittschancen als der günstig angesehen. Der Vorteil gegenüber Tabellenkalkulationsprogrammen, insbesondere hinsichtlich der Möglichkeit ein Groblayout zu erzeugen, ist offensichtlich. Aber auch die Möglichkeit des Datenaustausches mit bestehenden Systemen über standardisierte Schnittstellen sowie der geringe Lizenzpreis führen zu hohen Markteintrittschancen. Im Zusammenhang mit den Einsatzmöglichkeiten der Verfahren bei Zulieferern und OEMs können zudem Vertriebswege der OEMs mit genutzt werden, was den Markteintritt zusätzlich erleichtert.