Ziel der Entwicklung

Logo: Pumpenteststrecke © Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin (VLB) e.V.
Pumpenteststrecke © Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin (VLB) e.V.

In nahezu allen technischen Verfahren kommen Fluide zum Einsatz, die über Drücke (Höhenunterschiede/ Reibungsverluste) hinweg von einem Ort zum anderen transportiert werden müssen. Bei Flüssigkeiten werden hierfür Pumpen eingesetzt. Diese werden in Verdrängungs- und Strömungsmaschinen unterteilt. Die Einteilung erfolgt anhand des Förderprinzips (kontinuierlich/diskontinuierlich) und des Energieumsatzes (volumentechnische Arbeit).
In Brauereien kommen meist Strömungsmaschinen in Form von Kreiselpumpen zum Einsatz. Diese Pumpen sind einfach aufgebaut und wenig verschleißanfällig. Jedoch kommt es beim Transport zu erhöhten inneren Verlusten. Dies ist nicht nur vom energetischen Standpunkt her relevant, da es sich bei den Brauereimedien Maische, Würze und Bier um schersensible Flüssigkeiten beziehungsweise Suspensionen handelt. Werden diese einer ausgeprägten Scherbenaspruchung ausgesetzt, kommt es zu einer Viskositätserhöhung. Das kann im Verlauf des späteren Prozesses zu Schwierigkeiten führen. Hier sind beispielsweise Läuter- und Filtrationsprobleme zu nennen. Der Gesamtprozess wird so behindert und die Prozesszeiten verlängert. Im schwerwiegendsten Fall lassen sich die Medien nicht weiterverarbeiten.
Es liegt daher im wirtschaftlichen Interesse des Bierbrauers, seine Produktmedien möglichst geringen mechanischen Beanspruchungen auszusetzen. Zur Beurteilung werden dem Nutzer aber meist nur die Pumpenkennlinie zur Verfügung gestellt. Sie ist die grafische Darstellung aus Förderhöhe, errechnet aus spezifischer Arbeit und Erdbeschleunigung, und Volumenstrom. Diese gibt in indirekter Form die Scherbeanspruchung teilweise wieder. Vor allem konstruktive Pumpenmerkmale werden aber nur ungenügend miterfasst.
Eine Beurteilung von durchströmten Leitungen hinsichtlich ihres Schereintrags auf Brauereimedien kann nicht durchgeführt werden.
Daher sollte im Rahmen des Forschungsprojekts ein Modell entwickelt werden, welches die Quantifizierung und Evaluierung des Scherkrafteintrags bedingt durch Pumpen und sonstige Strömungen auf brauereirelevante Medien ermöglicht.
Das Modell bestand aus folgenden Einzelzielen: Entwicklung eines geeigneten Testmediums, Evaluierung der kolorimetrischen Schnelltestmethode zur Bestimmung der Gelbildung im ß-Glucan-Testmedium im Vergleich zur fluorimetrischen Referenzmethode, Inbetriebnahme der eigens konstruierten Teststrecke zur standardisierten Untersuchung von Pumpen und Strömungsparametern im jeweiligen Testmedium und Entwicklung einer Scherbelastungskennlinie zusätzlich zu den leistungsbezogenen existierenden Pumpenkennlinien.

Vorteile und Lösungen

Für die Entwicklung eines Testmediums für den Schereintrag von Pumpen und Strömungen wurden 2 mögliche Ansätze untersucht: ?-Glucan-Pulver und Hefezellen.
Aus ?-Glucan bildet sich unter Scherbeanspruchung sogenanntes ?-Glucangel. Dieser Mechanismus kann genutzt werden, um das Maß der Beanspruchung festzustellen. In verschiedenen Versuchsreihen wurden ein geeigneter Reinheitsgrad und eine entsprechende Konzentration des ?-Glucans ermittelt. Bei der Reinheit ist zu erwähnen, dass sowohl niedrige, als auch hohe Reinheitsgrade eine schlechte Löslichkeit in Wasser aufwiesen. Da die verminderte Löslichkeit des ?-Glucans ein grundsätzliches Problem darstellte, wurde die Lösungstemperatur möglichst hoch gewählt. Zudem musste der pH-Wert mittels Ortho-Phosphorsäure eingestellt werden. Das so hergestellte Testmedium zeigte eine hohe Reproduzierbarkeit bezüglich der Gelbildung.
Bei den Versuchsreihen mit Hefezellen wurde in Laborversuchen die Scherbeanspruchung einer Hefesuspension mittels Stabmixer simuliert. Als Beurteilungskriterium diente die Viabilität, also der Totanteil, der Hefepopulation. Die Ergebnisse waren teils widersprüchlich. Einen großen Einfluss könnte hier die Temperaturentwicklung während des Prozederes gehabt haben. Der Ansatz wurde aufgrund der geringen Reproduzierbarkeit und hohen Fehleranfälligkeit nicht weiterverfolgt.
Da für die weiteren Versuche aus oben genannten Gründen das ?-Glucan-Testmedium verwendet wurde, musste eine geeignete schnelle und kostengünstige Bestimmungsmethode für ?-Glucan und ?-Glucan-Gel gefunden werden. Dazu wurden Ergebnisse des kolorimetrischen Schnelltests der der Firma R-Biopharm AG mit denen der fluorimetrischen Referenzmethode verglichen. Die fluorimetrisch bestimmten ?-Glucan-Werte waren grundsätzlich höher. Ein Grund kann einerseits die Affinität der unterschiedlichen Nachweismethoden zu verschiedenen Molekülgrößen innerhalb der ß-Glucan-Fraktion sein. Ein anderer, möglicher Grund wäre, dass die Proben der fluormetrischen Bestimmung aufgrund externer Vergabe der Analyse bis zur Messung länger lagerten. Innerhalb einer entsprechenden Versuchsreihe konnte dann festgestellt werden, dass die Lagerdauer /-temperatur einen erheblichen Einfluss auf die ?-Glucangelbildung hatte. Aufgrund der hohen Plausibilität und der guten Reproduzierbarkeit wurde für die weiteren Versuche die kolorimetrische Schnellmethode übernommen. Die Probenlagerung wurde standardisiert.
Für das Forschungsprojekt wurde zusammen mit GEA Tuchenhagen eine Pumpenteststrecke entwickelt, bestehend aus 240-Liter-Vorratsbehälter, Rohrschleifenpaket und Messsensoren. In die Strecke konnten, um einen Kreislauf herzustellen, im Austausch unterschiedliche frequenzgeregelte Pumpen eingebaut werden. Bei den Versuchen wurde die Zahl der Umwälzungen als Bezugsgröße gewählt, um eine Vergleichbarkeit bei unterschiedlichen Betriebszeiten zu gewährleisten.
Bei allen Pumpenversuchen verlief die ?-Glucangelbildung nach einem gleichartigen Muster: Die Gelbildung wurde nach einer bestimmten Anzahl an Umwälzungen induziert. Darauf folgte ein steiler Anstieg bis zum Maximum. Über diesen Punkt hinaus stagnierte die Gelmenge wieder.
Die Kurven wurden grundsätzlich so gedeutet, dass eine spät einsetzende Gelbildung und ein spätes Maximum bei einer geringen Gelmenge für eine schonende Pumpenarbeit sprachen. Am Maximalwert wurde die sogenannte Scherbelastkennzahl bestimmt. Diese diente als Vergleichspunkt für Pumpen untereinander oder bei unterschiedlichen Betriebspunkten. Die Berechnung der Scherkraftkennzahl wurde errechnet durch Teilung der maximalen Gelbildung durch die Umwälzungen der maximalen Gelbildung.
Die Scherkraftkennzahlen von unterschiedlichen Pumpen bei verschiedenen Betriebspunkten wurden ermittelt und miteinander verglichen. Dabei wurden folgende Pumpenarten untersucht: Scherkraftmischpumpe, Normalsaugende Kreiselpumpen, selbstsaugende Kreiselpumpen, Drehkolbenpumpen, Exzenterschneckenpumpen.
Anhand der erworbenen Ergebnisse aus diesen Versuchen wurden Kennzahlen für den Scherkrafteintrag von Pumpen entwickelt.

Zielgruppe und Zielmarkt

Das in diesem Forschungsprojekt entwickelte Modell zur Quantifizierung und Evaluierung der Scherkraftbelastung durch Pumpen und Strömungen kann bei Investitionen in der Brau- und Getränkeindustrie eine prägende Entscheidungshilfe sein. Sekundär können durch die Wahl der tatsächlich schonenderen Pumpe in der Brauerei erhebliche Filtrationsverluste durch das Nichtausbilden der gefürchteten ß-Glucan-Gele vermieden werden. Zur Folge hätte dies immense Einsparungen in Filterhilfsmitteln, sowie in Personal- und Reinigungskosten.
Auch den Pumpenherstellerfirmen kann die Anwendung der neuen Methodik in der Entwicklung von Strategien zur Scherkraftvermeidung ein nützliches Werkzeug sein. Vor allem bei Neuentwicklungen birgt es ein großes Potenzial für den Vergleich mit bestehenden Produkten.
Die gewonnenen Erkenntnisse wurden in einer Vielzahl von Artikeln und Vorträgen im In- und Ausland kommuniziert. Auch zukünftig werden die Forschungserkenntnisse auf diversen Kommunikationskanälen wie Seminare, universitäre Vorlesungen, Fachartikel und Beratungstätigkeiten genutzt und weitergetragen.