Ziel der Entwicklung

Logo: Farbpulver, Farbgranulat und Folie mit Spirulina-Phycocyanin.
Farbpulver, Farbgranulat und Folie mit Spirulina-Phycocyanin.

Auf dem Markt der Kunststoffadditive sind aktuell kaum biobasierte Produkte vorhanden, obgleich gerade im Bereich der Kunststoffproduktion Nachhaltigkeit forciert werden sollte. Im Projekt sollten daher vorwiegend farbhaltige Beiprodukte der Lebensmittelindustrie und Landwirtschaft als Farbstoffe für biobasierte Plastiken aufbereitet werden. Im Gegensatz zu gängigen Farbmasterbatches beeinträchtigen die im Projekt entwickelten Produkte weder die Bioabbaubarkeit noch die Nachhaltigkeit der Biopolymere. Der wirtschaftliche Vorteil besteht dabei in der Verwertung der Gesamtbiomasse der Nebenstromprodukte, die bisher selten eine stoffliche Verwertung findet.

Vorteile und Lösungen

Als Rohstoffe kamen Tomatenblätter, nicht verkehrsfähige Tomatenfrüchte, Rhabarber- und Karottenrester aus der Saftpressung, Sonnenblumenpresskuchen sowie die Cyanobakterie Spirulina zum Einsatz. In den Versuchen gelang es, von 2,5 Prozent (bei Flüssigrohstoffen) bis 90 Prozent der Trockensubstanz der anfallenden Biomasse zu Farbpulver zu verarbeiten. Hergestellt wurden die Farben Grün, Olivgrün, Beige, Orange, Blau und Grau. Ein Problem bei der Nutzung von biogenen Rohstoffen in der Kunststoffherstellung besteht in deren geringen Stabilität gegenüber Mikroorganismen und hohen Temperaturen. Eine Technologie zur Integrierung der biogenen Farbstoffe in eine Biopolymermatrix (Compoundierung) zur Herstellung vollständig biobasierter Farbmasterbatches wurde unter Berücksichtigung dieser Problematik entwickelt. Die Verarbeitung der Rohstoffe sollte so umweltschonend wie möglich gestaltet werden, so dass nur Wasser als Lösemittel bzw. Waschmittel bei der Entzuckerung eingesetzt wurde. Die Imprägnierung mit stark verdünnten organischen Säuren nach dem Waschen erhöhte die Stabilität gegenüber Bakterien und Pilzen. Bei der Feinzerkleinerung auf wenige µm ist eine schonende Vorgehensweise bei geringen Temperaturen für die Farberhaltung essenziell. Zur Lösung des Problems einer geringen Farbstabilität bei Temperaturbelastungen wurden die fein zerkleinerten Farbpulver mit natürlichen Mitteln wie Maltodextrin oder Gummi arabicum umhüllt. Durch die Sprühtrocknung können gleichzeitig die Trocknung und das Umhüllen (Coating) realisiert werden. Die Farbe wurde stabiler und blieb bei einer kurzzeitigen Erhitzung bis 120-140 °C erhalten. Als biogener Rohstoff bewährte sich die thermoplastische Stärke vom Blend Mater Bi. Die neuen Farbmasterbatches können verschiedenen biobasierten Kunststoffgranulaten im Verhältnis von fünf bis 20 Prozent beigemischt werden. Die hergestellten Farbmasterbatches konnten sowohl zu Folien als auch zu Spritzgusserzeugnissen verarbeitet werden. Die ökotoxikologische Prüfung der Folien und Granulate nach DIN EN 16086-2 zeigte keine Beeinträchtigung des Pflanzenwachstums von Kresse durch Folien. Die Versuche zur mikrobiologischen Degradation von Kunststofferzeugnissen (nach DIN EN ISO 17556:2012) zeigten bereits nach einem Monat die Zeichen eines Abbaus beim Farbmasterbatch mit Tomatenfruchtresten, gefolgt von den Kunststoffen, die mit Pigmenten von Cyanobakterien (Phycocyanin und Restpigmente) gefärbt wurden. Die Anwendung der mit Farbmasterbatches erzeugten Produkte erstreckt sich auf den gesamten Bereich der bioabbaubaren Kunststoffe: beliebige Einwegerzeugnisse, Verpackungen für biobasierte „grüne“ Kosmetik, kompostierbare Säcke für Bioabfall u. Ä. Die Verarbeitungstechnologie der farbhaltigen Biomasse kann auf andere Branchen übertragen werden, zum Beispiel biobasierte Farben und Lacke.

Zielgruppe und Zielmarkt

Die Tendenz zur Herstellung von bioabbaubaren Kunststoffen ist steigend, dabei wird angestrebt, die Produkte entweder vollständig bioabbaubar oder recycelbar zu konzipieren. Im Jahr 2025 wird eine Marktkapazität von 1,83 Millionen Tonnen allein für biologisch abbaubare Produkte erwartet, der die von biobasierten und nicht abbaubaren Kunststoffen übertrifft (rund 1,1 Million Tonnen).
Deutschland ist mit einem Anteil von zirka 23 Prozent der Marktführer in der Branche der Kunststoffproduktion in Europa. In 2021 wurden allein in Deutschland 21 Millionen Tonnen produziert, davon annähernd eine Million Tonnen biobasierte Produkte (K-ZEITUNG, 2022).
Für biologisch abbaubare Kunststoffe wird bis 2031 ein weiteres Mengenwachstum von 10,4 Prozent pro Jahr erwartet. Bei biobasierten Kunststoffen, etwa Polyethylen, PET oder PA, die nicht biologisch abbaubar sind, wird der Zuwachs mit 7,5 Prozent pro Jahr voraussichtlich niedriger sein. Die Analysten erwarten, dass der Biokunststoff-Umsatz bis zum Jahr 2031 auf rund 9,7 Milliarden US-Dollar wachsen wird (CERESANA, 2021). Die primären Endverbraucher der entwickelten, vollständig biobasierten Farbmasterbatches sind zum Beispiel Folienhersteller, die sich auf die Produktion von Leichtverpackungen, Frischhaltefolien oder Müllsäcken spezialisiert haben, die kurzfristig genutzt und danach kompostiert werden. Auch Spritzgusshersteller für lang haltbare Verpackungen, zum Beispiel in der Branche der Naturkosmetik können die entwickelten Batches anwenden. Im Jahre 2020 haben 54,9 Prozent der Unternehmen der Kosmetikbranche in Deutschland angegeben, mit nachwachsenden Rohstoffen, sowie 37,3 Prozent mit Biokunststoffen, arbeiten zu wollen (STATISTA 2020). Die entwickelten Farbmasterbatches können in die meisten marktüblichen Polymere eingearbeitet werden. Die niederschmelzenden TPS sind weniger steif, bei PLA und PBAT sind die Verarbeitungstemperatur und Steifigkeit höher. Die Anwendung von Farbmasterbatches zur Herstellung von kompostierbarem Wegwerfgeschirr, Verpackungsfolien oder Einwegprodukten im Bereich Medizin und Technik ist daher auch denkbar. Ferner kommt die Branche der Hersteller von Kinderspielzeug und Geräten für Spielplätze infrage, falls die biobasierten Spitzgusserzeugnisse sich als hypoallergen erweisen. Mit den Erzeugnissen auf der Basis von Tomatenfruchtresten, Möhrentrester, Spirulina aus der Kultur und Rhabarber ist dies erwartbar. Die höchste in den Versuchen gemessene Steifigkeit (Zug-E-Modul 2.000 MPa) wurde bei dem Spritzguss aus PLA und unbearbeiteter Spirulina erreicht, dieser kann für eine Vielzahl von Haushaltsartikeln, Spielzeug, Kaffeekapseln unter anderem eingesetzt werden, auch für 3d-Druck ist der Farbmasterbatch geeignet. Beispielhaft wurde im Projekt ein Chip für Einkaufswagen herstellt. Neben der direkten Anwendung des neuen Verfahrens zur Herstellung von Farbmasterbatches für biobasierte Kunststoffe können einige Stufen und die gesamte Farbpulverherstellung in der Produktion von Farben für andere Anwendungen eingesetzt werden, zum Beispiel Farbstoffe für Textilien, Lacke, Mahlfarben. Die Bildung des Projektbeirats sowie die Teilnahme am Innovationstag Mittelstand des BMWK am 23.06.2022 waren wichtige Schritte zur Vermarktung des Produkts bzw. der Technologie. Im Rahmen seiner wirtschaftlich orientierten Aktivitäten wird der A.S.P. Aufträge von Unternehmen zur weiteren Forschung einwerben. Drei Projekteinsätze sind zurzeit in Planung. Das betrifft die innovative Produktentwicklung oder Weiterentwicklung von Produkten zur Steigerung der positiven Effekte, basierend auf den in diesem Projekt gewonnenen Ergebnissen. Die Entwicklung von Technologien zur schonenden Feinstzerkleinerung der Rohstoffe, zur Stabilisierung von Naturfarben gegen UV-Einfluss und zur Compoundierung kann zu weiteren Anwendungen führen, zum Beispiel für Färbung in anderen Bereichen (Oberflächenfärbung, bioabbaubare Beschichtung, biobasierte Lacke). Im Vordergrund sollte der Aufbau einer Wertschöpfungskette von der Gewinnung von Trestern bzw. Nebenstromprodukten bis hin zu gefärbten Plastiken, Beschichtungen, Lacken oder Folien, die wiederverwendbar bzw. recycelbar oder ggf. bioabbaubar sind, stehen. Die Entwicklung einer Herstellungstechnologie für temperaturstabile biobasierte Farben, angepasst an die Trends in der Kunststoffindustrie in Kooperation mit deutschen Forschungs- und Praxispartnern sind Forschungsschwerpunkte des A.S.P. Die mit der Technologieentwicklung verbundene intensive wissenschaftliche und analytische Auseinandersetzung mit den Fragen der Pigmenterzeugung, Stabilisierung, Verkapselung, den Parametern der Sprühtrocknung und mit den Synergien der Eigenschaften des Farbpulvers und Biopolymers, wird unmittelbar zu neuen Erkenntnissen führen. Die Erweiterung des methodischen Werkzeugkastens erlaubt die Effektivierung auch von Teilprozessen in anderen Forschungsaktivitäten, zum Beispiel im Bereich der Lebensmitteltechnologie.