Ziel der Entwicklung

Logo: Kleinverflüssiger, © Institut für Luft- und Kältetechnik gGmbH – ILK Dresden
Kleinverflüssiger, © Institut für Luft- und Kältetechnik gGmbH – ILK Dresden

Kühl- und Verflüssigungssysteme, welche mit Kältemittelgemischen wie verschiedenen Kohlenwasserstoffen nach dem Linde-Verfahren arbeiten, weisen gegenüber anderen Verfahren wie beispielsweise mehrstufigen Kaskadenkühlern oder regenerativen Kryokühlern einen hohen Wirkungsgrad bei niedrigen Fertigungskosten auf, sind jedoch in der Praxis insbesondere für tiefe Temperaturen unterhalb von 120 Kelvin nur sehr schwer auszulegen. Dies zeigt sich insbesondere in der geringen Anzahl sowie in der niedrigen Kühlleistung kommerziell verfügbarer Modelle für diesen Temperaturbereich, obgleich in verschiedenen industriellen Segmenten ein deutlicher Marktbedarf für preisgünstige und zugleich effiziente Kühlsysteme für Temperaturen unter 120 Kelvin besteht. Das Hauptproblem bei der Auslegung ist dabei der Einsatz eines mehrkomponentigen, zeotropen Kältemittelgemisches. Zwar kann das Verhalten von diesem klassisch thermodynamisch berechnet werden, doch weist das reale System üblicherweise deutliche Abweichungen gegenüber den theoretischen Vorhersagen auf. Dies liegt daran, dass das angesetzte Gemisch im Kreislauf an verschiedenen Stellen seine ursprüngliche Zusammensetzung verändert, beispielsweise durch ein Lösen bestimmter Stoffe im verwendeten Verdichteröl oder durch eine temporäre Phasenzustandsänderung einzelner Bestandteile. Als Folge dessen erfordern reale Systeme einen hohen experimentellen Aufwand in der Umsetzung, wie beispielsweise die Auswahl und Entwicklung geeigneter Komponenten sowie die korrekte Anordnung der einzelnen Systembestandteile und sind dehalb sehr teuer. Der zuvor erwähnte Vorteil der Kosteneffizienz wird so von bestehenden Anlagen derzeit nur bedingt erfüllt. Ziel der Entwicklung war es daher, die Auslegung und Fertigung eines solchen Kältemittelgemischkühlers beziehungsweise Kleinverflüssigers durch den Einsatz eines innovativen Algorithmus, der den realen Aufbau des Kühlsystems weitestgehend berücksichtigt, deutlich zu vereinfachen. Der Kühler sollte nach dem Linde-Verfahren bis zu einer Temperatur von 77 Kelvin arbeiten, welches die Siedetemperatur von Stickstoff unter Normaldruck ist, und eine deutlich höhere Kühlleistung als kommerziell vergleichbare Produkte erzielen. Zudem sollte die Wirtschaftlichkeit der Entwicklung durch die Herstellung und dem Einsetzen von ausschließlich kommerziell verfügbarer Standardkomponenten gegenüber dem aktuellen Stand der Technik verbessert werden.

Vorteile und Lösungen

Die üblicherweise anspruchsvolle Auslegung eines Kältemittelgemischkühlers, welcher nach dem Linde-Verfahren arbeitet, wurde durch den Einsatz eines innovativen, experimentell verifizierten Algorithmus deutlich vereinfacht. Hierbei wird der reale Aufbau des zu realisierenden Systems sowie das reale Fluidverhalten berücksichtigt, sodass umständliche experimentelle Voruntersuchungen entfallen. Der Algorithmus erlaubt es dabei, 2- bis 5-komponentige zeotrope Kältemittelgemische basierend auf Kohlenwasserstoffen hinsichtlich Anzahl, Auswahl und Konzentration der Komponenten bezüglich der thermischen und hydraulischen Parameter des Systems zu bestimmen. Zudem können auch die Arbeitsparameter der Dimension, Masse, Leistung der einzelnen Einheiten des Kühlers bei vorgegebenem Bauteilschema ausgelegt werden. Die hierfür angesetzte Maschine besteht aus einem Phasentrenner, einem rekuperativen Wärmetauscher für drei Ströme, zwei Verdampfern sowie einem hermetischen, geschmierten Kompressor. Als letzte Schwierigkeit verblieb lediglich die Wahl eines geeigneten Kältemittelgemisches, welche durch eine systematische Berechnung verschiedener, sinnvoll erscheinender Möglichkeiten erfolgte. Der Einsatz des Algorithmus ermöglicht es, sämtliche Messungen am gleichen Funktionsmuster, welches das ILK Dresden im Zuge der Untersuchungen iterativ immer weiter verbesserte, durchzuführen. Bei der Umsetzung wurde zudem darauf geachtet, ausschließlich handelsübliche, kommerzielle Standardprodukte zu verwenden, wodurch das entwickelte System wesentlich preisgünstiger ist als vergleichbare Konkurrenzprodukte. Ein zusätzlicher Vorteil des erarbeiteten Auslegungsverfahrens liegt außerdem in seiner Flexibilität. So erlaubt der Algorithmus die Auslegung und Fertigung von kältemittelgemischbasierten Kühlern und Verflüssigern für verschiedene Temperaturbereiche und Leistungsstufen und ist nicht auf die Parameter des durchgeführten Projektes beschränkt.

Zielgruppe und Zielmarkt

Die erfolgte Entwicklung ist für zahlreiche Branchen im Bereich der Tieftemperaturtechnik von Interesse. Hierzu gehören insbesondere Firmen, welche im Bereich der LNG- oder LH2-Infrastruktur (Flüssigerdgas oder Flüssigwasserstoff) tätig sind. Der entwickelte Kühler kann insbesondere zur Rekondensation von Flüssigerdgas oder aber als effizienter und preisgünstiger Vorkühler zur Verflüssigung von Wasserstoff genutzt werden. Eine weitere Zielgruppe bilden Firmen, welche im Bereich der Verflüssigung technischer Gase arbeiten. Das entwickelte System kann dabei sowohl direkt zur Verflüssigung oder Rekondensation technischer Gase bis 77 Kelvin oder aber als Vorkühler zur Verflüssigung technischer Gase mit niedrigeren Sietemperaturen, beispielsweise Helium, Wasserstoff und Neon, eingesetzt werden. Zudem existieren auch Branchen, welche kompakte und effiziente Kühler im Bereich bis 77 Kelvin benötigen. Hierzu gehören unter anderem Forschungseinrichtungen, die Kryophysik, die Kryochirurgie, die Kryokonservierung sowie Firmen, welche sich mit dem praktischen Einsatz von Hochtemperatursupraleitern beschäftigen. Der größte Vorteil für alle wirtschaftlichen Bereiche liegt dabei in den sehr geringen Anschaffungskosten des Systems gegenüber vergleichbaren Anlagen bei ähnlichem Wirkungsgrad. Darüber hinaus kann das verwendete Auslegungsverfahren für nahezu jede Branche von Interesse sein, bei welcher der Bedarf nach einem individuell angepassten, preisgünstigen Kühlsystem besteht. Sowohl das System bis 77 Kelvin als auch eine Auslegung modifizierter Systeme werden dabei für alle interessierten Unternehmen kundenspezifisch angeboten. Zudem ist auch ein Know-how-Transfer von ausgewähltem Wissen auf das jeweilige Unternehmen möglich, wenn dieses im Bereich der Fertigung derartiger Systeme tätig ist. Zugleich kann das ILK Dresden durch die Resultate des abgeschlossenen Projektes nun das Marktsegment der Beratungen und Dienstleistungen fachlicher und ingenieurstechnischer Natur im Bereich der Kleinverflüssiger und Kältemittelgemischkühler für tiefe Temperaturen zu bedienen.