Ziel der Entwicklung

Logo: HME-Extrusion von Erbsenproteinisolat unter Einsatz einer O/W-Emulsion zur Erzeugung lamellenartiger Segmente als Basis für einen veganen Fischfiletersatz
HME-Extrusion von Erbsenproteinisolat unter Einsatz einer O/W-Emulsion zur Erzeugung lamellenartiger Segmente als Basis für einen veganen Fischfiletersatz

Die Nahrungsmittelindustrie steht aufgrund von Klimawandel und Weltbevölkerungswachstum im Umbruch. Die Versorgung mit tierischem Eiweiß steht dabei im Mittelpunkt der Diskussion. Mit dem Bewusstsein, dass die nahrungsbedingte Proteinaufnahme nicht mehr nur von Tieren stammen kann, werden immer mehr neue Produkte aus alternativen Proteinquellen in der Forschung entwickelt und in der Lebensmittelindustrie verarbeitet. Vegane Fleischalternativen erfahren derzeit einen regelrechten Hype. Fischersatzprodukte sind hingegen noch sehr rar. Die meisten Erzeugnisse basieren auf Fleischersatzprodukten, die lediglich mit Aromen und Farben entsprechend aufbereitet werden. Ziel des FuE-Projektes war es, ein Verfahren zur Herstellung eines veganen Fischfiletersatzprodukts auf der Basis von texturierten, pflanzlichen Proteinen zu entwickeln. Der Schwerpunkt dieses Vorhabens lag auf der Erzeugung von „fischtypischen“ Charakteristika wie Geschmack, struktureller Aufbau, Textur und die maßgeblichen ernährungsphysiologischen Besonderheiten. Primär war die Rekonstruktion der Fischmuskelstruktur als technologische Zielstellung zu betrachten. Das Muskelgewebe von Fischen ähnelt grundsätzlich dem der Säugetiere, es fehlen jedoch die langen Muskelfaserbündel warmblütiger Tiere. Der Fischmuskel weist eine metamerische Struktur auf, die nach dem Garen durch lamellenartige Segmente gekennzeichnet ist. Diese Eigenschaften galt es, mittels der High-Moisture- beziehungsweise Nassextrusion zu erzeugen. Als Grundlage hierfür sollten verfügbare pflanzliche Proteinpräparate dienen. Bei der Rohstoffauswahl musste sowohl auf die Farbe als auch auf die Proteinzusammensetzung geachtet werden. Der typische Fischgeschmack sollte dabei durch beispielsweise Algenpräparate beziehungsweise Aromen daraus erzeugt werden. Durch den Einsatz von Ölen oder Fetten pflanzlicher Herkunft oder aus Mikroalgen war das Fettsäurespektrum mit essentiellen Fettsäuren, insbesondere Omega-3-Fettsäuren aufzubauen. Dabei sollte ein besonderes Augenmerk auf die Prozessstabilität der mehrfach-ungesättigten Fettsäuren, die eine hohe Oxidationsbereitschaft aufweisen, gerichtet werden.

Vorteile und Lösungen

Es wurden die Proteinpräparate mithilfe eines beheizbaren Doppelschnecken-Extruders (Durchmesser 11mm, 40 L/D) in Kombination mit einer Kühldüse hergestellt. Zuerst wurden die pflanzlichen Proteine im Extruder mit einer Flüssigkeit (Wasser oder Emulsion) gemischt, geschert und geknetet. Innerhalb der acht Heizzonen im Extruder wurden definierte Kochtemperaturen erreicht und die Extrudate untersucht. Im Anschluss an die Kochzone fand der unmittelbare Übergang in die Kühldüse statt, die mit ebenfalls definierten Temperaturen realisiert wurde. Es zeigte sich, dass vor allem die Kühldüsentemperatur bzw. die Delta-Temperatur zwischen Kühldüse und Ausgangsdüse bzw. Übergangszone vom Extruder in die Kühldüse einen großen Einfluss auf die Strukturbildung innerhalb und außerhalb der Extrudate hatte. In den späteren Extrusionsversuchen wurden die Schneckendrehzahl und die Zufuhr an Pulver konstant gehalten. Die Flüssigkeitsdosierung wurde individuell auf die jeweiligen Versuche angepasst. Durch Einsatz einer O/W-Emulsion mit einem Ölanteil von zehn Prozent konnte bei einem bestimmten Volumenstrom die gewünschte fischfleischartige Struktur, die durch eine segmentierte Lamellenstruktur – analog zu den Myomeren – gekennzeichnet ist, ausgebildet werden. Daran sind maßgeblich in die Proteinmatrix nicht eingebundene Ölanteile aus der Emulsion beteiligt, die intermolekulare Protein-Proteinbindungen entlang des Strömungsprofils partiell verhindern. Anhand der unterschiedlichen Ergebnisse wurde ein prototypisches Vorzugsverfahren abgeleitet. Zur Angleichung der Extrudate an die Nährwertzusammensetzung und Sensorik von Fischfleisch (Makrele) wurde der Einsatz von Mineralstoffen, Vitaminen, Ölen mit Omega-3-Fettsäuren und Algenpräparaten hinsichtlich der sensorischen und technologischen Auswirkungen untersucht. Kalium ist der in der Makrele am höchsten vorkommende Mineralstoff (200-400 mg/100 g). Der Einsatz von Kalium in der Nassextrusion der Leguminosenproteinextrudate führte zu einer Strukturabnahme und zu einer signifikanten Erweichung der Schnittkraft. Die Hinzugabe von Methylcellulose konnte diesen Effekt unterbinden. Mittels sensorischer Prüfungen konnte durch Einsatz von Algenölen in den Extrudaten ein positiver Effekt hinsichtlich einer fischtypischen Geruchs- und Geschmacksausprägung gemessen werden. Deutlich besser hingegen war das sensorische Resultat der Extrudate durch die Verwendung eines veganen Fischaromas. Bereits bei niedriger Konzentration konnte durch das Sensorik-Panel ein fischtypisches Aromaprofil bestätigt werden. Der Eigengeschmack des Erbsenproteins konnte ab einer bestimmten Konzentration von an Fischaroma maskiert werden. Ein weiteres Kriterium zur qualitativen Beurteilung der Extrudate war deren Wasseraufnahmevermögen. Diese sollte möglichst gering sein, um beispielsweise Koch- oder Dampfgarprozesse zu gewährleisten. Durch Einsatz von Methylcellulose im Extrudat konnte dessen Wasseraufnahmevermögen bei 24 stündiger Lagerung in Wasser deutlich verringert werden. Grundsätzlich konnten die gängigen küchentechnischen Zubereitungsmethoden wie das Dämpfen oder das Braten der Extrudate keine bedeutenden Veränderungen bezüglich der Formstabilität, Textur sowie sensorische Qualität erwirken.

Zielgruppe und Zielmarkt

Das Verfahren zur Erzeugung von veganen Fischfleischprodukten ist vornehmlich für Start-Ups beziehungsweise KMU von Bedeutung, die sich in der aufstrebenden Nische der veganen beziehungsweise pflanzlichen Fleischsurrogate etablieren wollen. Das innovative pflanzliche Fischfiletersatzprodukt erhöht durch die Abwesenheit tierischer Inhaltsstoffe den potentiellen Anwendungsbereich sowie Kundenstamm. In erster Linie sind als Zielgruppen Flexitarier, Vegetarier oder Veganer zu nennen. Die Gründe von Vegetariern und Veganern keinen Fisch zu essen ist vielseitig. Sie reichen von Respekt gegenüber Tieren, Überfischung der Meere, Tierquälerei unter Wasser bis hin zu ernährungsphysiologischen Aspekten. Die Gruppe der Vegetarier und Veganer umfassen in Deutschland zirka zehn Prozent der Bevölkerung. Vor allem aber spricht diese Innovation alle Flexitarier an. Als Flexitarier sind Menschen definiert, die sich hauptsächlich vegetarisch ernähren aber auch Fleisch oder Fisch essen. Hauptargumente für eine Fleischreduktion der Flexitarier sind hierbei das Tierwohl und eine artgerechte Haltung, die Minimierung des Risikos für Klima, Umwelt und potentielle Gefahren für die eigene Gesundheit. Sie achten prinzipiell auf eine hohe Qualität und eine tierfreundliche Erzeugung ihrer Lebensmittel, sehen sich zu Bio-Produkten in besonderer Weise hingezogen. Auch ist diese Zielgruppe in hohem Maße aufgeschlossen gegenüber neuen Produkten. Sie suchen bewusst Ersatzprodukte für Fleisch und Fisch, da Sie aus Gründen des Geschmacks nicht auf diese verzichten wollen. Die offizielle Anzahl an Flexitarier in Deutschland liegt bei 32 Prozent. Der jährliche Pro-Kopf-Konsum von Fisch und Fischprodukten liegt in Deutschland bei etwa 14 kg. Unter der Annahme, dass anfänglich nun ein Prozent dieser auf das neue Fischfiletersatzprodukt Menge umgelegt wird, entspräche dies einem Konsum von zirka 140 g pro Kopf und Jahr beziehungsweise bezogen auf 83 Mio. in Deutschland lebende Bürger eine jährliche Produktionsmenge von knapp 12.000 t. Bezogen auf den wettbewerbsfähigen, üblichen Preis von 20 bis 30 €/kg für Fischfiletfleisch ist ein initiales Umsatzpotential von 240 bis 360 Mio. € mit dem neuen Ersatzprodukt gegeben.