Ziel der Entwicklung

Logo: Nach dem neuartigen Verfahren mit Reifeemulsion hergestelltes Rohschinkenmuster
Nach dem neuartigen Verfahren mit Reifeemulsion hergestelltes Rohschinkenmuster

Die Zielstellung des FuE-Vorhabens war die Entwicklung eines Herstellungsverfahrens für Rohschinkenprodukte aus Rohstoffen mit eindeutigem regionalen Bezug und effizienterer Herstellungsmethodik. Die daraus hervorgehenden Produkte sollten an die Marktpräsenz und Markendominanz von Serrano- oder Parmaschinken in der Region anknüpfen. Um das zu erreichen und die Wertschöpfung der Produktionskette weiter zu erhöhen, war ein neuartiges Verfahren zu entwickeln, bei dem durch fett- beziehungsweise ölhaltige Komponenten eine beschleunigte Aromatisierung erfolgen kann. Das technologische Rückgrat des Verfahrens sollte dabei die Entwicklung einer Reifeemulsion (O/W-Emulsionstyp) darstellen. Auf diese Weise würde es möglich, verschiedene polar und apolar lösliche Wirkstoffe kombiniert applizieren zu können. Die bei traditionellen Vergleichsprodukten übliche lange Reifezeit zur Aromabildung des Schinkens sollte reduziert werden und durch das spezielle Verfahren und die Verwendung erlesener Rohstoffe für eine charakteristische Aromatisierung sorgen. Insbesondere die angestrebte hohe Qualität mit der ausgeprägten Aromatisierung und der zarten Textur, die sich konventionell nur durch lange Reifezeiten und besondere Rohstoffauswahl erzeugen lassen, waren anzugehende Herausforderungen. Die Reifezeit von hochwertigen Rohschinkenprodukten kann zwei bis drei Jahre umfassen, was besonders für handwerkliche oder KMU-Fleischbetriebe aufgrund der hohen Kosten und Risiken nicht realisierbar ist. Im Gegensatz zum traditionellen Verfahren, bei der die Veredelung mit Pökelstoffen und Würzmitteln über die Oberflächenapplikation (Lake, Beize) erfolgt und aufgrund der langen Diffusionswege entsprechend lange Zeit benötigt, sollten mit der entwickelten Reifeemulsion, welche durch intramuskuläre Injektion appliziert würde, diese Wege verkürzt werden. Neben den Pökelstoffen in der wässrigen Phase könnten weitere funktionelle Zutaten wie enzymhaltige Fruchtauszüge oder antioxidativ wirksame Substanzen, Starterkulturen und aromastarke (Kräuter-)Öle in der Reifeemulsion enthalten sein. Sowohl durch die Auswahl der zu applizierenden Stoffe in der Reifeemulsion als auch durch die intramuskuläre Injektion und Verteilung der Komponenten im Gewebe sollten eine zügige Reifung und die Ausbildung einer cremig-zarten Textur sowie Aromaentwicklung erreicht werden.

Vorteile und Lösungen

Der Lösungsansatz der Reifeemulsion zur Entwicklung einer Reifeemulsion war einem Öl-in-Wasser-Emulsionstyp (O/W-Emulsion) zu suchen. In der äußeren, kontinuierlichen wässrigen Phase sollte vornehmlich das Nitritpökelsalz (NPS) gelöst vorliegen, um nach der Injektion schnell und zielgerichtet mit der Häm-Gruppe des Myoglobins die Umrötungsreaktion gewährleisten zu können. Darüber hinaus können in dieser Phase weitere wasserlösliche Stoffe wie bspw. enzymhaltige Präparate oder Starterkulturen eingebracht werden. Die innere Ölphase in der Emulsion liegt dispers in fein verteilt vor. Durch die intramuskuläre Druckinjektion der Emulsion in das Schinkenstück und Verteilung der Öltröpfchen sollen intramuskuläre Verbindungen partiell aufgebrochen und damit die Gestaltung einer zarten und cremigen Textur ermöglichen. Durch den Einsatz von aromastarken Ölen kann zudem die Ausprägung einer charakteristischen Flavors des Endproduktes herbeigeführt werden.

Zielgruppe und Zielmarkt

Zielgruppen sind vornehmlich kleine und mittelständische Fleischverarbeitungsunternehmen sowie Handwerksbetriebe. Der Zielmarkt ist das umsatzstärkste Segment der Ernährungsindustrie: die Fleischwirtschaft. Rohschinkenprodukte sind dabei dem Premiumsegment Branche zuzuordnen. Da deren Produktion hohe Anforderungen an den Rohstoff stellt sowie arbeitsaufwendig, zeit- und kostenintensiv ist, ist die Anzahl der Produzenten – insbesondere in der Landschaft der kleinen und mittelständischen Unternehmen – überschaubar. Die Erweiterung des Produktportfolios um Rohschinkenprodukte aus eigener Herstellung bietet daher grundsätzlich die Möglichkeit, sich von der Konkurrenz abzuheben und durch den relativ hohen Verkaufserlös den Umsatz und Gewinn auszubauen. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass mit der erreichten Entwicklung (ein beschleunigtes Reifungsverfahren zur Rohschinkenerzeugung) und aufgrund der hohen Nachfragewahrscheinlichkeit eine optimale Transfersituation vorliegt. Dasselbe gilt ebenfalls für die Vermarktungssituation, da solche Produkte in Eigenproduktion eine Besonderheit in der Angebotspalette einer kleinen und mittelständischen Fleischerei darstellen. Mit der Möglichkeit, auch eine betriebsspezifische Identifikation mit dem neuen Produkt herbeizuführen und regional-synergistische Effekte zu erzeugen, indem beispielsweise Kooperationen mit weiteren Rohstofflieferanten in der Region forciert werden, bieten sich weitere äußerst attraktive und werbewirksame Vermarktungspotentiale. Der Vorteil dabei ist, dass der Absatz an Rohschinkenprodukten nach wie vor konstant ist und die Bereitschaft bei einem nicht unerheblichen Teil der Verbraucher vorhanden ist, hohe Preise für hochwertige Produkte zu zahlen. Für einen mittelständischen Fleischereibetrieb birgt das Herstellungsverfahren das Potential, in das bestehende Marktsegment einzutreten und mit hochwertigen Produkten Marktanteile zu generieren. Mit einem für 2023 angestrebten deutschlandweiten Marktanteil von 0,005 % der hergestellten Schinken ergibt sich mit dem entwickelten Verfahren eine Produktionsmenge von 19.840 kg. Das entspricht einem Verkaufswert von ca. 560.000 €. Langfristig sollen 0,1 % der verkauften Schinken in Deutschland nach den entwickelten Verfahren hergestellt werden. Die sich ergebenden 400.000 kg entsprächen einem Wert von ca. 12 Mio. €. Es wird dabei davon ausgegangen, dass die Produkte von mehreren Produzenten vermarktet werden.