Ziel der Entwicklung

Logo: Kratzeinheit mit Beleuchtung und Kamera, © FILK Freiberg Institute gGmbH
Kratzeinheit mit Beleuchtung und Kamera, © FILK Freiberg Institute gGmbH

Kratzer auf Materialoberflächen stellen eine spezielle Form des Verschleißes dar, die bereits durch eine einmalige, starke Belastung, welche die Kratzfestigkeit des Materials übersteigt, verursacht werden können. Kratzer auf Bezugsmaterialien lösen im Allgemeinen Kundenunzufriedenheit aus, da sie die Funktionsfähigkeit beeinträchtigen, den optischen Eindruck stören und subjektiv als Produktmangel wahrgenommen werden. Zudem setzen sie die Wertanmutung des Gesamtproduktes herab, sind haptisch unangenehm, lassen das Produkt als Form des Verschleißes als „alt“ erscheinen und stellen einen täglich sichtbaren Störfaktor dar. Wie für alle Produkte, bei denen Wertanmutung und Kundenzufriedenheit bedeutende Kriterien für den Erfolg darstellen, ist deshalb die Kratzfestigkeit ein wichtiges Kriterium bei der Materialoptimierung von Bezugsmaterialien. Ziel des Projektes war es, den Herstellern von Bezugsmaterialien Möglichkeiten zur gezielten Produktoptimierung an die Hand zu geben, um der durch Kratzer verursachten Kundenunzufriedenheit vorzubeugen. Dazu sollten durch systematische Untersuchungen prinzipieller Zusammenhänge zwischen Materialeigenschaften und Materialschädigung durch Kratzen Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Kratzanfälligkeit für die Materialhersteller und Zulieferer erarbeitet werden. Als wesentliches Kriterium wurde hierbei die Kratzersichtbarkeit angesehen, also das Maß, in dem sich ein Kunde durch den Kratzer gestört fühlt. Dieses subjektive Empfinden des Kratzers sollte anhand einer Probandenstudie ermittelt und mit Hilfe einer objektiven Methode messbar gemacht werden.

Vorteile und Lösungen

Dafür wurde untersucht, welche Art von Kratzern Probanden auf Bezugsmaterialien eher als störend und welche als tolerabel empfinden, unter welchen Bedingungen Kratzer besonders gut sichtbar sind und welche Materialeigenschaften mit dem Kratzverhalten in Verbindung stehen. Es wurde festgestellt, dass selbst schwache Kratzer von Probanden erstaunlich gut wahrgenommen werden können, wenn das Material unter allen möglichen Beobachtungsbedingungen betrachtet werden kann. Solche Kratzer werden aber oft als akzeptabel eingestuft. Sind die Kratzer dagegen gut sichtbar, zum Beispiel indem sie sich stark vom Untergrund abheben, ausgefranste Ränder besitzen oder gar Rattermarken verursachen, werden die Kratzer als so störend empfunden, dass die Probanden eine große Unzufriedenheit mit dem gesamten Produkt entwickeln. Diese kann bis zu Reklamationen oder Rechtsstreitigkeiten führen. Die Entstehung, Ausprägung und Erscheinungsform von Kratzern ist für Leder und Kunstleder sehr vielfältig und abhängig von der Gesamtheit der Material- und Belastungsparameter. Tendenziell werden aber Kratzer auf Leder als schlimmer empfunden als auf Kunstleder, auf glatten oder feingenarbten Materialien schlimmer als auf groben und auf Materialien mit satten Farben schlimmer als auf solchen mit gedeckten Farben. Die Stärke oder Ausprägung eines Kratzers konnte bisher auf Bezugsmaterialien nicht messtechnisch erfasst, sondern nur visuell, also subjektiv, bewertet werden. Im Projekt wurde deshalb eine neue, objektive Kratzerbewertungsmethode entwickelt. Diese basiert darauf, dass die Kratzer lokal das Oberflächenprofil des Materials verändern und dadurch auch Änderungen in den Licht- und Schattenverhältnissen auf der Probe hervorrufen. Diese wirken sich besonders stark bei einem flachen Lichteinfall aus und können dann auf einer fotographischen Nahaufnahme des Kratzers mit Hilfe eines entwickelten Algorithmus detektiert und quantifiziert werden. Dazu werden Veränderungen der Farbintensitätsverteilungen zwischen dem gekratzten und dem ungekratzten Bereich ausgewertet. Der Algorithmus ist so theoretisch begründet und stellt keine fiktive Fitgröße dar. Für den entwickelten Algorithmus wurde ein Skript programmiert, welches die anwenderfreundliche und automatisierte Auswertung mehrerer Kratzer erlaubt. Dieses kann zur Materialentwicklung hinsichtlich der Kratzanfälligkeit genutzt werden und erlaubt deren Charakterisierung anhand objektiver und quantitativer Kennwerte.

Zielgruppe und Zielmarkt

Primärer Zielmarkt der erarbeiteten Methodik ist die Automobilindustrie inklusive ihrer Zulieferer, denn Interieurmaterialien müssen auch zukünftig hinsichtlich ihrer Kratzanfälligkeit untersucht werden. Eine Erweiterung auf andere Bereiche wie die Möbelindustrie ist zu erwarten. Das Verfahren kommt vor allem der spezifischen Materialoptimierung und der Qualitätssicherung zugute und wird Zulieferern und Automobilherstellern gleichermaßen helfen, Kosten für Reklamationen und Gewährleistungen sowie Umsatzeinbußen durch Kundenabwanderung zu verringern. Dass für das Verfahren ein Bedarf besteht, zeigt sich an den regelmäßig eingehenden Anfragen nach Prüfungsmöglichkeiten, dem regen Interesse der Industrie am Forschungsvorhaben und der Bereitschaft verschiedener Unternehmen, sich durch Material- und Informationslieferung am Projekt zu beteiligen. Zusätzlich profitieren Anbieter von den Prüfdienstleistungen, von der neuen Prüfmethode und den damit in Zusammenhang stehenden Beratungsdienstleistungen. Ein erhöhter Bedarf an der Durchführung der Prüfung wird sich auch positiv auf die Prüfgerätehersteller auswirken.