Ziel der Entwicklung

Logo: Schema eines Mikrofonarrays zur holografiebasierten Schallfeldprognose. Das Linienarray wurde zur Validierung der Prognosewerte verwendet. © GFaI e.V.
Schema eines Mikrofonarrays zur holografiebasierten Schallfeldprognose. Das Linienarray wurde zur Validierung der Prognosewerte verwendet. © GFaI e.V.

Ziel des Forschungsvorhabens war die Entwicklung und Anwendung robuster, effektiver und praxisrelevanter Verfahren für die Analyse der Schallpropagation auf der Basis der Akustischen Fernfeld-Holographie und Mikrofonarray-Messungen. Diese neuen Methoden erlauben eine näherungsweise Berechnung der das akustische Feld beschreibenden Größen wie Schalldruck und Intensität für jeden beliebigen Zeitpunkt und für definierte Orte. Durch die Verbindung von Beamforming und Holographie können erstmalig Analysen von akustischen Quellen bis zur Berechnung der Soundpropagation beziehungsweise Schallausbreitung im Fernfeld realisiert werden. Mikrofonarraytechniken haben seit vielen Jahren einen festen Platz innerhalb der technischen Akustik gefunden. Dabei haben sich vor allem zwei Verfahren durchgesetzt: Das in der Praxis sehr weit verbreitete Beamforming, die Auswertung von Laufzeit beziehungsweise Phasenunterschiede erlaubt 2D- und 3D-Kartierungen der Schalldruckverteilung bei moderaten Mikrofonzahlen und auch bei größeren Messabständen im Bereich einiger Meter. Das zweite auf Arraytechniken basierende Verfahren ist die wegen der hohen Anforderungen an die akustische Umgebung eher nur akademisch orientierte, im Forschungsumfeld genutzte Akustische Holographie. Diese benötigt sehr hohe Mikrofonzahlen, viele hundert oder gar tausend Kanäle, eine störfreie Messumgebung sowie zur präzisen Erfassung aller Schallfeldgrößen auch sehr geringe Abstände zum Objekt. Sie konnte sich deshalb in industriellen Anwendungen bisher nicht wirklich etablieren. Holographie gestattet jedoch im Gegensatz zum Beamforming auch eine Prognose der Ausbreitung des Schallfeldes und eine vollständige Beschreibung auch der vektoriellen Schallfeldgrößen um ein Objekt herum die sogenannte Schallpropagation in das Fernfeld. Viele Praxisanwender wünschen sich deshalb eine Verbindung der Vorteile beider Arrayansätze, also der Einfachheit der Beamformingmethoden in der Anwendung und der besseren Leistungsfähigkeit der Holografie bezüglich der Prognosen und Aussagen über alle Schallfeldgrößen im Raum mittels Drucks, Schnelle und Intensität. Das Projekt hatte es sich zum Ziel gesetzt, neue Algorithmen für die Verbindung beider Welten bei gleichzeitig noch vertretbarer Mikrofonzahl im Array zu entwickeln und praxistauglich zu machen.

Vorteile und Lösungen

Vorteil der im Projekt realisierten Lösung aus Anwendersicht ist die Möglichkeit, dass mit Arrays überschaubarer Kanalzahl neben der „normalen“ Anwendung für akustische Kartierungen mittels Beamforming nun auch auf den neuen holografischen Modellansätzen basierende Aussagen über die Ausbreitung der Schallfeldgrößen im Raum ermöglicht werden. Damit sind genauere Prognosen z. B. über den zu erwartenden Pegel an einem Raumpunkt möglich, auch wenn dort kein Messmikrofon vorhanden ist. Hohen Nutzen haben die Methoden vorrangig für Messungen und Analysen im Bereich Lärmreduktion und Schallschutz durch Einhaltung von Normen und Vorschriften, im Automobilbereich und allgemein für die genauere akustische Bewertung von Maschinen und Anlagen aller Art in der Industrie. Beispielhafte Zielmärkte werden im folgenden Abschnitt noch näher aufgeführt. Methodisch stand bei der Lösung die Weiterentwicklung der Akustischen Fernfeld-Holographie im Mittelpunkt. Die Akustischen Fernfeld-Holographie ist dabei eine Lösung der Helmholtz-Gleichung für den komplexen, aus Amplitude und Phase bestehenden Schalldruck. Für die Lösung dieser inhomogenen Differentialgleichung zweiter Ordnung wurden per Mikrofonarray gemessene Schalldruckwerte als Start beziehungsweise Randbedingung verwendet. Im Projekt wurden Näherungsverfahren zur Reduzierung der für die akustische Holographie benötigten vielen tausenden Mikrofone auf einige hundert Kanäle entwickelt. Die preisgünstige Realisierung solcher Arrays wird ermöglicht durch die zurzeit mit hoher Dynamik stattfindende Entwicklung von MEMS-Sensoren mit sehr kleinen geometrischen Abmessungen, deren Preis um Größenordnungen geringer als bei bisherigen Analogmikrofonen ist. Außerdem sind diese Mikrofone direkt in elektronische Schaltungen auf einheitlichem technologischem Niveau integrierbar. Der Preis je Übertragungskanal kann somit spürbar reduziert und es können künftig Systeme angeboten werden, die auch für KMU von Interesse sind. Berücksichtigt man außerdem die noch immer stürmische Entwicklung der Computertechnik, so werden auch die für die rechenintensiven Algorithmen benötigten Computersysteme bald zu preiswerten Bedingungen einsetzbar sein. Zur Realisierung des Projektes wurde ein Gitter von Messpunkten erzeugt, auf dessen Grundlage die Berechnung der Holographie also die Lösung der Helmholtz-Gleichung, für hinreichend große Frequenzen, einige tausend Hertz, erfolgen kann. Dieses Gitter lieferte die Mikrofonpositionen, die für einen weiten Wertebereich stabiler Lösungen der Helmholtz-Gleichung benötigt werden. Unter Verwendung effektiver Interpolationsverfahren konnten sehr gute Näherungen für die Berechnung der Schallpropagation im Fernfeld bei vergleichsweise geringer Mikrofonzahl gefunden werden. Mit der beschriebenen Prozedur werden spezielle Mikrofonpositionen angestrebt, aus denen weitgehend ideale Phased Arrays für das Beamforming konstruiert werden können, wie zum Beispiel Spiralarrays oder auch Random Arrays, sodass auf der Basis nur einer Messung neben der Fernfeld-Vorhersage eine akustische Karte der Quellverteilung als Akustisches Foto am Untersuchungsobjekt mit entsprechenden Beamforming-Methoden erstellt werden kann. Weiterhin wurden gute, numerisch stabile Näherungslösungen für den Einsatz planarer Arrays umgesetzt. Somit wurden akustische Fernfeld-Holographie und Beamforming miteinander verbunden, was ein Alleinstellungsmerkmal dieser Implementierung der Mikrofonarray-Technologie ist. Eine Messung mit einem physischen Array erlaubt die Quellortung und Analyse am Untersuchungsobjekt per Beamforming sowie die Bestimmung der akustischen Propagation im Fernfeld per Holographie.

Zielgruppe und Zielmarkt

Potenzielle Nutzergruppen und Zielmärkte sind bei allen Anwendern im Bereich des Wachstumsmarktes Umweltlärm und Schallschutz zu sehen, die von der stark verbesserten Analyse der Schallpropagation und der neuartigen Verbindung von Beamforming und Fernfeldholografie profitieren werden. Dazu zählen unter anderem Anwendungen für Messungen an Kraftfahrzeugen wie die Einhaltung von Schallschutznormen und Vorschriften, die Evaluation der Einhaltung von Vorschriften für die Lärmbegrenzung bei Vorbeifahrten vor allem im Freifeld für alle Arten von Transportmitteln wie Automobile, Straßenbahnen und Eisenbahnen, die Analyse und Überprüfung von Schallschutzmaßnahmen im Fernfeld, wie Schallschutzmauern, oder die Überwachung der Einhaltung von Bestimmungen und Vorschriften zur Reduzierung des Lärmes an Flughäfen. Im Zusammenhang mit der Zunahme der Praxisrelevanz der Elektromobilität wird die Überprüfung der Abroll- und Luftwiderstandsgeräusche zum Beispiel in Windkanälen an Bedeutung gewinnen, da die eigentlichen Motorgeräusche für das Fahrzeuggeräusch als Ganzes mittlerweile kaum noch wichtig sind. Eine weitere sinnvolle Anwendung besteht bei Messungen für die Entwicklung, den Test und die Überprüfung von Windkraftanlagen, was ein extrem wachsender Markt im Zusammenhang mit der Energiewende sein wird. Nicht zuletzt sind auch die Beurteilung der Schallausbreitung und Qualitätstests in der Raumakustik sinnvolle Anwendungen, vor allem für Konzertsäle und Theater. Die sehr guten Resultate des Projektes führten bereits zu einer ersten industriellen Pilotanwendung im Fahrzeuggeräuschprüfstand.