Ziel der Entwicklung

Logo: Reinigungswirkung einer Modelllösung gegenüber dem Gemisch aus Maltose, Hefe,  Malz- und Hopfenextrakt zu den Zeitpunkten t = 6 min (links); 7 min (Mitte links); 8 min (Mitte rechts) und 9 min (rechts); ©VLB e.V.
Reinigungswirkung einer Modelllösung gegenüber dem Gemisch aus Maltose, Hefe, Malz- und Hopfenextrakt zu den Zeitpunkten t = 6 min (links); 7 min (Mitte links); 8 min (Mitte rechts) und 9 min (rechts); ©VLB e.V.

In der Brauindustrie spiegeln Reinigungs- und Desinfektionsmedien, wobei davon 70 Prozent auf den Verbrauch von Natronlauge zurückzuführen sind, die mengenmäßig größten Bedarfe an notwendigen Produktionshilfsstoffen wieder.
Die Anwendungsvorgaben von Natronlauge innerhalb der in der Brauindustrie etablierten automatisierten Reinigung (Cleaning in Place (CIP)) basieren auf Untersuchungen, die überwiegend an Protein-basierten Verschmutzungen durchgeführt wurden. Lässt sich eine Übertragbarkeit der Forschungsergebnisse auf die Reinigungspraktiken der Brauindustrie auf Grund der zumindest qualitativ vergleichbaren komplexen organisch-anorganischen Zusammensetzung von Molkereiprodukten und Bier erklären, so ist auf Grund der zum Teil erheblichen quantitativen Unterschiede in den Konzentrationen einzelner Stoffgruppen die Vergleichbarkeit des Einflusses etwaige Schmutzfrachten auf die Reinigungswirkung von alkalischen Reinigungslösungen ggf. nicht gegeben. Umso mehr ist in diesem Zusammenhang die Entscheidungsfindung, ob unter Inbezugnahme des Summenparameter CSB (Chemischer Sauerstoffbedarf) – als Indikation für die Verschmutzung – eine alkalische Reinigungslösung final entsorgt wird, kritisch zu hinterfragen.
Übergeordnetes Ziel dieses Forschungsvorhabens war es daher, auf Basis der Entwicklung branchenspezifischer Standardverschmutzungen sowie unter Einbeziehung verfahrensbedingter Einflussgrößen die Wirksamkeit alkalischer Reinigungslösungen während des kontinuierlichen Wiedereinsatzes in Abhängigkeit einer zunehmenden Verunreinigung der Reinigungslösungen abzubilden.
Weiterführend sollten gängige Eliminationsverfahren wie Sedimentation, Zentrifugation und Filtration auf ihre Eignung zur Schmutzfrachtreduktion der alkalischen Reinigungslösungen überprüft und eine etwaig damit einhergehende Verbesserung der Reinigungswirkung untersucht werden.
Basierend auf den zuvor formulierten Zielstellungen sollte abschließend unter zu Hilfenahme physikalisch-chemischer Parameter (z.B. Leitfähigkeit, differenzierter Chemischer Sauerstoffbedarf (CSB), absetzbare Stoffe, w(NaOH), w(Na2CO3)) ein valider Prüfplan zur Bewertung der Reinigungswirkung von alkalischen Reinigungslösungen erarbeitet werden.

Vorteile und Lösungen

Entsprechend der Zielstellung bedurfte es praxisnaher, reproduzierbarer Verschmutzungen an Hand derer eine quantitative Bewertung der Wirkung von alkalischen Reinigungslösungen vorgenommen werden konnte. Ausgehend von realen Verschmutzungen in Form von Produktionsvorstufen von Bier wie z.B. gehopfter und / oder hefehaltiger Vollbierwürze sowie Bestandteilen des fertigen Verkaufsgebindes wie z.B. Etiketten oder Etikettenleimen wurden final zwei Verschmutzungen etabliert. Für die Produktionsbereiche Sudhaus, Gärung und Filtration basierte die Verschmutzung auf einem Gemisch aus Maltose, Hefe, Malz- und Hopfenextrakt im Massenverhältnis 4:4:4:1, das mit definierter Masse auf eine definierte Edelstahlfläche aufgetragen und mit Temperaturen von bis zu 180°C beaufschlagt wurde. Für den Produktionsbereich Abfüllung wurde ein Verbundsystem aus Prüfkörper, Leim und Etikett mit definierter Bemaßung eingesetzt.
Weiterführend wurden die zuvor beschriebenen Verschmutzungen zur Modellierung des Einflusses der Faktoren Natronlauge-Konzentration und Temperatur auf die Wirksamkeit alkalischer Reinigungslösungen eingesetzt. Für die gewählten Stufenkombinationen der zuvor genannten Faktoren konnten statistisch gesicherte Einflüsse ermittelt und demzufolge die Eignung der entwickelten Verschmutzungen aufgezeigt werden.
Anschließend erfolgte die Validierung der Wirksamkeit von alkalischen Reinigungslösungen im Stapelbetrieb, d.h. unter Bevorratung für den Wiedereinsatz. Die Beeinträchtigung der Reinigungswirksamkeit in Abhängigkeit der Zunahme bekannter Einflussgrößen wie z.B. Natriumhydrogen- und Natriumkarbonat, als Ergebnis der Neutralisationsreaktion verfügbaren Kohlenstoffdioxids (CO2) und Natriumhydroxids (NaOH) beim Kontakt alkalischer Reinigungsmedien mit kohlensäurehaltigen Produktresten und / oder Umgebungsluft wurde bestätigt.
Der Einfluss der Verschmutzung einer alkalischen Reinigungslösung – quantifiziert als chemischer Sauerstoffbedarf (CSB) – auf deren Wirksamkeit ist abhängig von der Zusammensetzung des CSB.
Im Gegensatz zu den nicht gelösten Anteilen des CSB hatten die Gelösten in Form von eingetragenen Produktresten, unter den gewählten Versuchsbedingungen, keinen Einfluss auf die Wirksamkeit alkalischer Reinigungslösungen.
Bezüglich der ausgewählten Verfahren zur CSB-Reduktion konnte mit Anwendung der Mikrofiltration die höchste CSB-Elimination erreicht werden. Reinigungsrelevante Parameter der untersuchten Praxisproben wie w(NaOH) und die Konzentration von Additiven blieben dabei unbeeinflusst. Unter Inbezugnahme der zu erwartenden CSB-Frachten sowie der CSB-Zusammensetzung erscheint die Anwendung membranbasierter Aufbereitungsverfahren vorzugsweise für alkalische Reinigungslösungen im Anwendungsfeld der Flaschenreinigung des Bereichs Abfüllung geeignet.
Entsprechend der vorliegenden Ergebnisse kann die Wirksamkeit alkalischer Reinigungslösungen mit Hilfe einer differenzierten CSB-Analytik sowie den Parametern w(NaOH), w(Na2CO3) beschrieben werden. Die Formulierung einer Wirkungsprognose alkalischer Reinigungslösungen ist denkbar, sollte jedoch nur mittels der Aufnahme standortspezifischer, anwendungs- und zeitbezogener Veränderungen der Lösungen ermittelt werden.
In diesem Zusammenhang kann die VLB als Ergebnis des vorliegenden Forschungsvorhabens ein Untersuchungsverfahren anbieten.

Zielgruppe und Zielmarkt

Kleinere Brauereien führen auf Grund verfahrenstechnischer Gegebenheiten alkalische Reinigungsschritte zumeist verloren aus, d.h. die alkalischen Reinigungslösungen werden nach einmaligem Gebrauch entsorgt. Bei größeren Braustätten erfolgt zunehmend die Anwendung der Stapelreinigung und damit verbunden die Bevorratung der Reinigungslösungen für den Wiedereinsatz.
Die Gesamtproduktion deutscher Braustätten betrug in 2020 zirka 87,1 Millionen Hektoliter Verkaufsbier. Der NaOH-Verbrauch bezogen auf w(NaOH) = 50 % (m/m) beträgt pro Hektoliter Verkaufsbier bis zu 0,5 kg, sodass für die deutsche Brauwirtschaft ein kalkulatorischer Bedarf von 43.550 Tonnen Natronlauge (NaOH) (50 % (m/m)) anzunehmen ist. Global betrachtet, belief sich die Bierausstoßmenge in 2019 auf 1913 Millionen Hektoliter. Der damit verbundene NaOH-Bedarf ist mit 956.500 t NaOH (50 % (m/m)) anzugeben. National wie auch international sind bis zu 98 % des kalkulatorisch ermittelten NaOH-Bedarfs der Brauindustrie auf Brauereien zurückzuführen, die verfahrensbedingt die Stapelreinigung und damit verbunden die Bevorratung von NaOH-Anwendungslösungen für den Wiedereinsatz durchführen. Die damit verbundenen globalen Anschaffungskosten ohne Berücksichtigung der Betriebs- und Entsorgungskosten liegen im Bereich von 754 bis 777 Millionen Euro pro Jahr.
Die VLB e.V. ist eine gemeinsame Forschungseinrichtung für die deutsche Brau-, Malz- und Getränkeindustrie und übernimmt wichtige Aufgaben in den Bereichen der Forschung, Lehre, Aus- und Weiterbildung aktueller und zukünftiger Mitarbeiter der zuvor genannten Industrien sowie der Information und Beratung der zugehörigen Unternehmen.
Das vorliegende F&E-Projekt trägt in Form der Neubewertung der Reinigungswirkung im Wiedereinsatz befindlicher alkalischer Reinigungslösungen dazu bei, Reinigungsprozesse in der Brau- und Getränkeindustrie durch ggf. verlängerte Einsatzzeiten der Reinigungslösungen ökonomischer und ökologischer zu gestalten.
Die inhaltliche und strategische Ausrichtung der VLB beruht auf den Tätigkeitsschwerpunkten Aus- und Weiterbildung, Analytik, Forschung und Entwicklung.
Die genannten Tätigkeitsschwerpunkte spiegeln gleichzeitig die Basis der allgemeinen Vertriebs- und Transferstrategie der VLB wider. Als Plattform für die Verbreitung von Forschungsergebnissen, so auch für Inhalte des vorliegenden F&E-Projekts, werden im Besonderen die VLB eigenen nationalen (VLB-Jahrestagung) und internationalen, teils digitalen (Iberoamerican VLB Symposium, International Brewing Web Conference) Tagungen genutzt.
Daneben bietet das sowohl als Präsenzveranstaltung bzw. in digitaler Form bestehende Aus- und Weiterbildungsangebot, vor allem der Certified Brewmaster Course mit seinen überwiegend aus Amerika, Asien und Afrika stammenden Teilnehmern, weitere Transfermöglichkeiten für den Forschungsansatz „Neubewertung der Reinigungswirkung im Wiedereinsatz befindlicher alkalischer Reinigungslösungen“ als Lehrinhalt.