Ziel der Entwicklung

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Vernetztes CAD-Modell der neuen Wendeschneidplatte für die FEM-Zerspansimulation

Ziel dieses Forschungsvorhabens war die Entwicklung eines Bohrwerkzeugs mit PKD-bestückten Wendeschneidplatten zum gratminimalen Bohren in Aluminiumgusslegierungen. In der Praxis treten häufig Querbohrungen beziehungsweise Bohrungen mit schrägen Austrittsflächen auf. Deshalb sollten auch in diesem Forschungsvorhaben Bohrungen betrachtet werden, die keine ebene Austrittsfläche haben. Durch die Vermeidung der Entstehung eines Grats sollte der Grat eliminiert bzw. minimiert und damit die Kosten für das Entgraten reduziert werden. Die Gratbildung wird durch das Werkzeug, den Zerspanungsprozess und das Werkstück beeinflusst. In diesem Forschungsvorhaben sollte das Werkzeug, mit Blick auf Makrogeometrie der Werkzeugschneiden und Spanleitstufen neu entwickelt werden, da hier das größte Potential zur Gratvermeidung gesehen wurde.
Da zur Zerspanung von Aluminiumwerkstoffen mit Diamantschneidstoff bestückte Werkzeuge prädestiniert sind, sollten PKD-bestückte Wendeschneidplatten zum Einsatz kommen. Die Basis für die Entwicklung sollte mit Hilfe der FEM-Zerspanungssimulation geschaffen werden. Dies betrifft im Wesentlichen die konstruktive Entwicklung von Makrogeometrie und Spanleitstufen. Da PKD-bestückte Wendeschneidplatten relativ kostenintensiv sind, ist unter Beachtung der Projektkosten/Entwicklungskosten bzw. wiederum unter dem Aspekt der Ressourcenschonung der Einsatz von speziellen Simulationsprogrammen im Vorfeld realer Zerspanungsuntersuchungen besonders sinnvoll. Zur realistischen Abbildung der Gratentstehung ist eine sehr feine Vernetzung notwendig. Da die FEM-Zerspansimulation gerade im 3D-Bereich mit feinen Vernetzungen sehr berechnungsintensiv ist, sollte ein Simulations-Setup entwickelt werden, mit dem eine zeiteffiziente Unterstützung des Entwicklungsprozesses mittels Simulation ermöglicht wird.
Die Herstellung der neuen Wendeplattengeometrien sollte mittels Lasertechnologie erfolgen. Um einen Grat charakterisieren zu können, sollte ein entsprechendes Verfahren mit der vorhandenen Messtechnik entwickelt werden, mit dem effizient eine Bewertung des Grats auch bei größeren Bohrungen erfolgen kann.

Vorteile und Lösungen

Um die Gratbildung am Bohrungsaustritt zu vermeiden, bzw. zu minimieren wurde ein Wendeplatten-Bohrwerkzeug mit PKD-bestückten Wendeschneidplatten als periphere Schneidplatte entwickelt. Die neu entwickelte Wendeschneidplattengeometrie hat entsprechende Features im Bereich der Hauptschneide, an der Schneidecke und am Übergang der Schneidecke zur Umfangsschneide. Außerdem wurde eine an die Kontur angepasste Spanleitstufe eingebracht. Eine Oberflächennachbehandlung und eine ta-C- oder TiB2-Beschichtung der PKD-bestückten Wendeschneidplatten brachte keine Verbesserung bezüglich der Gratbildung.
Zur Charakterisierung des Grats konnten nach Untersuchung verschiedener Methoden mit einem Alicona SL-Messgerät und einem nachgelagerten Auswertealgorithmus Kennwerte ermittelt werden, die eine Aussage über die Beschaffenheit des Grats am Bohrungsaustritt von Durchgangsbohrungen mit einem Durchmesser von 25 Millimeter zulassen.
Es wurde ein Simulations-Setup in der FEM-Software AdvantEdge entwickelt, mit dem die Gratbildung an schrägen Bohrungsaustritten auch bei großen Werkzeugdurchmessern abgebildet werden kann, wobei die Berechnungszeiten in einem Rahmen sind, in dem die Simulation als produktives Hilfsmittel bei der Werkzeugentwicklung eingesetzt werden konnte.
Im Vergleich zum Ausgangszustand konnte der Bohrprozess mit der neu entwickelten Geometrie signifikant verbessert werden. Zum einen konnte die Gratbildung soweit reduziert werden, dass die Materialanhäufungen für die meisten untersuchten Randbedingungen unterhalb des Grenzbereichs von 50 Mikrometer liegen, sodass ein scharfkantiger Bohrungsaustritt entsteht. Gleichzeitig konnte der Bohrprozess zeiteffizienter gestaltet werden. Im Gegensatz zum Ausgangszustand mit den vom Werkzeughersteller empfohlenen Wendeschneidplatten und Schnittgeschwindigkeit wurde ohne signifikante Verschlechterung der Oberflächenqualität die Schnittgeschwindigkeit bei gleichbleibendem Vorschub mehr als verdoppelt.

Zielgruppe und Zielmarkt

Der Schwerpunkt der Arbeit in der GFE liegt in der Bereitstellung des Know-hows (Entwicklungsleistung) und der Spezifizierung in der anwendungsbezogenen Auslegung entsprechender Werkzeuglösungen für Kunden und Anwender. Mit diesen Möglichkeiten (Dienstleistungen in Konstruktion, Simulation, messtechnische Untersuchungen, Zerspanungsuntersuchungen, Initiierung weiterer Forschungs- und Entwicklungsprojekte) bestehen entsprechende Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Verwertung der Projektergebnisse.
Durch die Minimierung beziehungsweise Vermeidung des Grats am Bohrungsaustritt ergeben sich für den Anwender des Werkzeugs durch das Wegfallen des Prozessschrittes der Entgratung in der Fertigung seiner Produkte wesentliche wirtschaftliche Vorteile: Entfallen des Produktionsschritts und damit Entfallen der Fertigungszeit, der Personalkosten, der Werkzeugkosten und der Maschinenkosten für das Entgraten. Außerdem entstehen durch die Effizienzsteigerung im Bohrprozess zeitliche Vorteile.
Die Unternehmen erhalten außerdem die Möglichkeit ein Werkzeug speziell auf ihren anwendungsfall hin optimieren zu lassen, wodurch die Rüstzeiten und damit die Umsatzsteigerungen in diesen Fällen weiter erhöht werden können. Zudem kann beim Einsatz eines solchen Werkzeugs auch mit einer Erhöhung der Bohrungsqualität und damit mit einer Qualitätssteigerung des Endproduktes gerechnet werden.
Mit den entwickelten Werkzeugen und Methoden wurde die Basis für weitere Entwicklungen in der Applikation von Wendeschneidplattenkonturen und Spanleitgeometrien in Werkzeugen zur Zerspanung gelegt.